Forum Übersicht - RE: Aufwachen - 2

„Billig wird das nicht“, stimmt auch Kaar zu, der die Hand wieder herunternimmt und damit in dem Beutel gräbt. „Ist bei dir ne Waffe drin?“ fragt er ohne aufzublicken und zieht noch einige Gegenstände heraus: Ein paar einfache Leinenschuhe und eine kleine, eckige Gürteltasche aus Leder, die er mit einem zufrieden Laut öffnet und den Inhalt kontrolliert, ehe er den Gürtel noch einmal öffnet und diese darin einfädelt. Das Hemd stopf er sich bei der Gelegenheit in die Hose, befestigt den einzelnen, hinteren Klipper am Bund und zieht die Hosenträger über die Schultern nach vorne, wo sie ebenfalls befestigt werden. Der Sand ist verdammt heiß und er gibt ein wohliges Geräusch von sich, als er in die Schuhe schlüpft. „Zügel dein Temperament“, die leisen Worte trotz der gegenteiligen Versicherung des Jüngeren, mit denen er wieder zu der Gestalt sieht.“ Es wird auch so teuer genug.“

„Brauch keine Waffe.“ Brummt der Bärtige, der seinen Beutel zwar noch nicht vollständig durchsucht hat, aber offenbar davon ausgeht, dass sich keine darin befindet. Es klirrt metallen neben ihm, als Kaar die Gürtelschnalle schließt und ein nervöses Zucken lässt Gronks rechten Augenmuskel kontrahieren, was der Hüne mit sich spannenden Kiefern zu kompensieren versucht. Als der Gürtel erneut geöffnet wird, fährt der Kopf des Bärtigen herum, um den Älteren wüst anzufahren. „Ernsthaft, man? Du trägst Hosenträger verdammt! Scheiß Gürtel. Entscheid dich mal! Kein Mensch braucht beides.“ Wird noch barsch mit der Pranke in dessen Richtung gefuchtelt, ehe er sich wieder zu dem Fremden ausrichtet und die nackten Fersen in den Sand gräbt. Mit einem tiefen Atemzug fährt er sich mit der flachen Hand über das kurze Haar und spannt die Schultern. „Scheiße! Ich Zügel mich immer! Der Penner soll mir bloß nicht blöd kommen, dann haben wir auch kein Problem miteinander.“

Im Näherkommen wägt Keresin die Risken und die Nutzen ab und steckt dann das Messer, das er in seiner Scheide in der Hand getragen hatte, in die Umhängetasche. Besser jedes Mißverständnis vermeiden. Ihm liegt nichts an einer Konfrontation, ganz im Gegenteil, er hat eine Menge Fragen und hofft von den Beiden Antworten zu bekommen. Obwohl der Größere der Beiden, ein wahrer Hüne, sichtbar alarmiert ist, bleibt Keresin ruhig. Unaufdringlich aber gründlich mustert er das Duo während er gemächlich herankommt und jede schnelle Bewegung vermeidet. Der Ältere der Beiden hat ungefähr seine Größe, aber der Andere überragt ihn um ein schönes Stück. Die Tätowierungen deuten auf Seeleute hin, Achoras vielleicht? Wenn es tatsächlich achorische Piraten waren, dann war ein Kampf wohl nicht zu vermeiden, sobald er den Mund aufmachte. Doch das schreckt ihn nicht. Als er nur mehr ein kurzes Stück von den Beiden entfernt ist, sieht er das die Tätowierungen, die die Haut beider Männer reichlich zieren, für Seeleute ungewöhnlich sind. Die beiden unterhalten sich offensichtlich über ihn während sie sich anziehen. Als der Ältere ihn grüßend anruft bleibt er ein paar Vat vor den Männern stehen. Da er nicht weiß, mit wem er es zu tun hat, wählt er eine neutrale Begrüßung. „Seid gegrüßt.“ Er deutet höflich eine knappe Verbeugung an. „Mein Name ist Keresin und ich habe... die Orientierung verloren. Wenn ihr mir sagen könntet wo ich mich befinde, wäre ich euch äußerst dankbar.“ Keresin versucht gar nicht seine harte vorovisianische Aussprache zu verschleiern. Falls ihn die Beiden angreifen sollten, war er bereit, doch weder seine Körperhaltung noch sein Tonfall sind bedrohlich.

„Wunderbar. Schon mal an mich gedacht“, brummt Kaar zurück, der nicht über die hünenhafte Gestalt und die riesigen Pranken seines Bruders verfügt. Er unterdrückt es mit den Augen zu rollen, als Gronk wie gewohnt auffährt und muss keinen Seitenblick zu ihm werfen, um zu spüren wie er die Füße in den Boden gräbt. Neben dem braunhaarigen Gronk wirkt Kaar kleiner als er ist und schmal, was aber wohl für fast jeden anderen ebenso gelten würde. Trotz des Altersunterschiedes ist die äußere Ähnlichkeit der beiden Männer nicht zu übersehen, die sich besonders in der nahezu identischen Augenfarbe zeigt. Der Weißhaarige nimmt einen Schritt nach vorne, an Gronk vorbei und legt den Kopf schief, als er die eindeutige Aussprache des Fremden vernimmt. Irritiert zieht er die Brauen zusammen, so dass eine tiefe Falte zwischen den Augen entsteht. Ein Vorovise. Fraglich, wer mit der schwarzen Stadt zusammenarbeitet und die kurze Pause vor dem Wort Orientierung hört sich an wie ein Code, nur dass er diesen nicht kennt. Ein kurzer Blick zu seinem Bruder verrät ihm, dass es diesem ähnlich geht. Es bleibt eine Weile still, in der sich der Fremde gemustert fühlen darf, ehe Kaar noch einen Schritt nach vorne nimmt, dabei aber beide Hände zum Zeichen der Friedfertigkeit vor sich hält. Eigentlich überflüssig, denn eine Waffe, von dem Bullen neben ihm abgesehen, trägt er nicht. „Sei gegrüßt“, wählt er die identische Formel und setzt eine angedeutete Verbeugung hinzu. „Helias weist einem in der roten Nacht immer den rechten Weg,“ wählt er die Worte mit Bedacht, die in der geschliffenen Sprache eines Allianzlers gesprochen werden.

Gronks Kopf kippt skeptisch zur Seite, als der harte Akzent der schwarzen Stadt erklingt, den man in ihrer Heimat wahrlich nicht allzu oft zu hören bekommt. Ein Schwarzstädter als Mittelsmann? Wo bitte hat man sie abgeladen? Die hellen Augen begegnen dem Blick des Bruders für einen Wimpernschlag und ein minimales Stirnrunzeln reicht, um sich zu verständigen. Gronk unterdrückt den Drang sich das unruhige Kribbeln aus dem Nacken zu reiben, welches auch noch durch den juckenden Sand gefördert wird und bleibt stattdessen auf den Mann konzentriert, der wenige Vat vor ihnen stehengeblieben ist. Seinen Bruder behält er im Blick, bleibt schräg versetzt hinter ihm, achtet jedoch darauf, in seiner Reichweite zu bleiben. Immer noch ruht die kalte Zigarette zwischen seinen Lippen und ein kurzer Gedanke gilt dem Beutel mit seiner Habe, welcher Spürbar in seinem Rücken ruht – wird man ihm ja kaum das Etui ohne Zündhölzer eingepackt haben! Wenn doch gebührt dem Verantwortlichen nicht weniger, als eine gebrochene Nase!

Zum ersten Mal verlässt der Sundaras Blick den ihres Gegenübers, folgt dem Daumen der Nackten. Die Augen der jungen Frau weiten sich unübersehbar, und als der Blick wieder zu Ira zurückkommt, ist die vorherige Verwunderung eindeutiger Bestürzung gewichen. Sundara dreht sich kurz um, blickt dahin, wo sie gerade gekniet ist, schaut dann sichtlich verstört nach links und rechts, bevor sie sich wieder an Ira wendet. Die Augen verengen sich, sie sieht Ira unverwandt an, skeptisch, mustert sie genau, das Gesicht, die großen Brüste, den durchtrainierten Bauch, die langen Beine. Kurz zuckt die rechte Augenbraue, dann scheint Sundara ein Gedanken zu kommen. Sie nimmt die Asnivala von der rechten in die linke Hand. Nicht dass das, wäre Ira plötzlich losgesprungen, irgendeinen Vor- oder Nachteil gegeben hätte. Sie tut es einfach. Wer wäre auch auf den Gedanken gekommen, wenn eine Bekleidete einer Nackten gegenübersteht, letztere einzig an einer Waffe interessiert sein könnte, anstatt ersterer sämtliche Kleider vom Leib zu reißen um die eigene Blöße zu verdecken? Wenn sich das Hemd auch immer mehr durch den langsam aus den drei Rissen an der Schulter sickernden Lebenssaft rot färbt. Die Wunde scheint frisch zu sein, keine drei Stunden alt. Sundara macht einige Schritte nach hinten, stellt die alte Entfernung wieder her.

"Wie habt Ihr das gemacht?" fragt sie schließlich. "Wo sind wir hier?"

Der Blick ist dunkler geworden, misstrauisch, etwas vorwurfsvoll, und doch noch immer mit einer gehörigen Portion Unverständnis.

Die Blicke die sich die Beiden als Reaktion auf seine Worte zuwerfen, entgehen Keresin genausowenig, wie die steile Falte zwischen den Augen des Älteren als er spricht. Aber er bleibt ruhig und gelassen, auch als der Ältere eine Schritt auf ihn zu kommt. Doch die Beiden waren offensichtlich auch nicht auf eine Konfrontation aus, Das universielle Friedenszeichen der leeren Hände bestätigte die Körpersprache des Älteren. Trotzdem bleibt Keresin wachsam. Er erkennt das reine Hochchirjeya sofort. Für einen flüchtigen Augenblick drängt sich wieder das Gesicht Venaras vor seine inneren Augen, die genauso gesprochen hatte. Aber Keresin schiebt die Erinnerung fort, in einen dunklen Winkel. Im Moment gibt es Wichtigers als sentimentale Erinnerungen. Er hatte es sehr wahrscheinlich mit Menschen aus der Allianz zu tun, denn kaum jemand anderer drückte sich in dieser reinen Form der Sprache aus. Für gewöhnlich hat sich Keresin gut unter Kontrolle, doch jetzt zieht er überrascht eine Augenbraue hoch. Was sollte dieser Unsinn mit der roten Nacht, vielleicht eine Art Code? Verwechselten ihn die Beiden mit jemandem den sie erwarteten?
„Verzeiht. Aber ich verstehe nicht was ihr mir sagen wollt. Ich bin vor Kurzem hier aufgewacht und habe keine Ahnung wo ich mich befinde und wie ich hier her gekommen bin. Ich weiß es hört sich verrückt an, aber so ist es nun einmal. Deshalb meine Frage. Könnt ihr mir sagen wo wir hier sind?“ Eine gewisse Dringlichkeit, die sich in seinem letzten Satz in seine Stimme geschlichen hat, deutet darauf hin, das er wirklich nicht weiß, wo er sich befindet.

Die hochgezogene Braue ist Antwort genug, Gewissheit bringen die nachfolgenden Worte: Dieser Mann ist nicht der, den sie erwartet hatten. Ein Fremder. Ein Unbeteiligter. Ein Vorovise, sicher. Aber nur irgendjemand. Obwohl oder gerade deswegen entspannt sich der Weißhaarige. „Der Gürtel bleibt, daran wirst du dich gewöhnen,“ nimmt er das unterbrochene Gespräch wieder auf, wobei ein kurzer Blick als Austausch zu dem großen Mann schräg hinter ihm ausreicht. Dann wendet sich der Ältere ab, um noch einmal an das Boot zu treten. „Wir haben keinen Streit mit euch“, legt die Betonung nahe, dass er damit beide Männer meint, ehe er sich nach unten beugt und aus dem Wrack einen Strohhut fischt. Dieser wird mit einem Schlag zurück in Form gebracht, zweifellos lag sein Bruder darauf und auf das Haupt gesetzt. Eine Bewegung, die jedoch in der schnellen, gewohnten Abfolge langsamer wird, als er sich der Frage des Fremden bewusst wird. Ihre Freude nicht mehr dort zu sein wo sie waren, war so groß, dass er sich noch nicht die Frage stellte, wo sie jetzt sind. Ohne Zweifel, alles ist besser als der Ort von dem sie kommen, wirklich jeder, dennoch ist es immer gut zu wissen, wo man sich gerade befindet, gleich wie friedlich die Umgebung aussieht. Ruckartig wandert sein Blick zum Horizont, um die Krümmung abzuschätzen, ehe er ins Landesinnere sieht und anschließend, für einige Herzschläge die Hafenruinen betrachtet. „Nicht im Osten“, dreht er sich wieder zu den beiden anderen herum und Keresin mag danach schon ahnen, dass ihm die Zwei bei der Frage nicht weiterhelfen können. „Nicht in S´Chor“, sieht es in Beq-Jefid gänzlich anders aus. „Offenbar auch nicht im Westen“, tritt er zwei Schritte näher und legt den Kopf wieder fragend zur Seite, als müsse er letzteres von dem Mann bestätigt bekommen.

Das sie jemand nackt sah, störte Ira nicht. Aber irgendwas stimmte nicht. Die Ketzerin glotze wie ein Viljana wenn es donnert. Schaut nach links, rechts dann auf sie. Zuerst starrte sie ihr auf die Titten. Dann rutschte der Blick tiefer. Wollte die vielleicht was von ihr? Nein entschied Ira. Das war kein geiles Glotzen. Und selbst wenn mit einer flachbrüstigen Ketzerin? Nur über ihre Leiche. Jetzt wechselte sie die Asnivala in die Linke. Hatte die Ketzerschlampe was bemerkt? Jetzt machte sie auch noch ein paar Schritte zurück! Katzenscheiße, verdammte! Damit war es voerst einmal vorbei mit der Annäherung. Der vorwurfsvolle Tonfall dazu und der Ärger kommt hoch. Ira stemmt die Hände in die Hüften.
„Hast du eine aufs Dach bekommen, Kleine? Oder bist du naturblöde? Was soll ich wie gemacht haben? Ha? Ich will verdammt sein, wenn ich weiß wo wir sind. Ich bin nach einem Besäufnis im Hafenviertel in dem Drecksloch da aufgewacht. Splitterfaser nackt und mit gar nichts. Dann geh ich raus. Schau mich um, dann tauchst an einer Stelle auf wo ein paar Augenblick vorher keiner war. Also sag mir was ich gemacht haben soll. Sags mir!“
Die letzten Worte kommen im besten Kasernenhofton herüber.

Die Riese hinter Kaar bleibt still, als wäre es durchaus üblich, dass der ältere Bruder das Reden übernimmt. Er beobachtet den Fremden, dessen Verwirrung auf den Zügen, die recht schnell deutlich macht, dass er nicht derjenige ist, den sie erwarten – was Gronks Wachsamkeit nicht weichen lässt, denn damit ist er tatsächlich nur irgendein fremder Vorovise und schlecht einschätzbar. Dessen Offenbarung, dass er hier aufgewacht und seitdem orientierungslos ist, lässt Gronks Brauen überrascht emporgleiten, ehe er mit einem verblüfften Grunzen zu Kaar schaut, dessen Kopf jedoch grade im Boot verschwindet. „Kaar, man!“ wird dieser energisch Aufmerksam gemacht. „Ein Bruder.“ fuchtelt der Riese in Keresins Richtung und grinst diesen schließlich breit an. „Willkommen in der Freiheit, man!“ tritt er prompt auf Keresin zu und schlägt ihm kumpelhaft, aber mit solch einer Wucht auf den Rücken, dass einem etwas zart besaiteten Persönchen wohl die Luft wegbleiben würde. „Wir spekulieren auch noch, wer dafür verantwortlich ist. Tippen auf Brawin. Sagt dir der Name was?“ wird Keresin kurz angesehen, dann latscht Gronk jedoch unverhofft gut gelaunt an dem Vorovisen vorbei, um sich wieder in den Sand zu setzen und seinen Beutel weiter zu durchstöbern. „Hölle, ja!“ rupft er schließlich eine Packung Zündhölzer aus der Tiefe und reckt sie wie eine Trophäe empor. „Da weiß doch jemand, wie man ein Beutelchen packt.“ Die Kippe in seinem Mundwinkel wird endlich angezündet, was ein wohliges Stöhnen zur Folge hat, als der Riese den ersten Zug inhaliert, als wäre es ein Festmahl nach langer Entbehrung. Eine dunkelbraune Stoffhose und ein schwarzes enges Hemd ohne Ärmel landet im Sand, ehe Gronk eine Hand voll metallen klimpernden Ringen herausfischt. „Hey Babys, hab euch vermisst!“ setzt er einen Kuss auf einen der klobigen Ringe ehe er sie nach und nach an seine Finger steckt. „Hölle! Kaar! Diese Bastarde! Ich wurde beklaut!“ wird der Beutel nach einer weiteren Durchforstung ruckhaft umgedreht, aus welchem nunmehr noch zwei Lederschuhe, braune Hosenträger und ein Stiefeldolch fallen. „Ouh, das werden diese Hurensöhne so bitter bereuen…“ grollt er unleidig, wobei sich die klobigen arme vor der Brust verschränken.

Augenblicklich verfinstert sich Sundaras Blick noch mehr. Sie spuckt aus, in Iras Richtung, aber freilich ist die Distanz zu groß, als dass Ira auch nur im Entferntesten befürchten müsste, von Sundaras Spucke getroffen zu werden.

"Woher soll ich denn das wissen? Mir geht es da nicht anders als dir," antwortet sie in abfälligem Unterton, urplötzlich vom Euch auf das Du wechselnd. Sie schüttelt den Kopf, und als sie fortfährt ist der Ton in der Stimme schon wieder weit versöhnlicher, ja praktisch sachlich.

"Wir haben gerade gehörig eine aufs Dach gekriegt, da wo früher ungefähr die Grenze zwischen Yedea und Vobra verlief. Und plötzlich stehe ich vor dir. Und da ich nichts gemacht habe, und ausser mir nur du da bist..."

Sie spricht den Satz nicht zu Ende, vielmehr scheint etwas, das Ira gesagt hat, doch ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Etwas, das ihr zunächst gar nicht so aufgefallen ist, sich nun aber doch in den Vordergrund spült. Ein Gedanke, der gar die Verwunderung über den plötzlichen Ortswechsel zu übertünchen vermag, ein Gedanke der das anfängliche Mißtrauen bekämpft, ein Gedanke der irgendwie Sicherheit gibt. Es passt. Die muskulösen Arme, der durchtrainierte Bauch, es ist leicht möglich, dass vor ihr eine Kämpferin steht. Eine Kämpferin die nun gar unerhörte Neuigkeiten von sich gibt, unerhört und doch positiv, besser als es sich Sundara je erträumen hätte lassen. Und so sieht man förmlich, wie sie sich entspannt. Sie legt sich den Waffengurt um, schließt die Schnalle. Sie sieht nun fast wie ein wandelndes Waffengeschäft auf, mit dem Köcher, dem Kurzschwert und der Asnivala am Gürtel, dem Bogen auf dem Rücken. Und während sie dies tut, beginnt sie wieder zu reden, kühl, neutral und doch hörbar interessiert - und letztendlich nicht unerfreut.

"Hafenviertel?" fragt sie nun. "Du meinst doch nicht etwa das Hafenviertel von Vorovis? Ihr seid da so weit, dass man sich schon wieder in aller Ruhe einen gehörigen hinter die Binde kippen kann? Ich dachte immer, die Ruinen von Vorovis seien immer noch überaus umkämpft..."

Als der Ältere der Beiden seine Schlußfolgerungen aus der Umgebung zieht und ihn fragend ansieht, schüttelt Keresin den Kopf. „Ich kenne die Seekarten ganz gut, aber diese Bucht mit den beiden Inseln….Ich kann sie nirgendwo einordnen.“ Seine Stimme klingt ruhig, aber er wendet nicht wenig Energie auf, um seine Enttäuschung und zunehmende Sorge nicht deutlich werden zu lassen. Dem Ausbruch des Riesens und den freundschaftlichen Klaps auf den Rücken, der einem Roputantritt alle Ehre gemacht hätte, läßt er über sich ergehen. Immer noch leicht angeschlagen von dem sich langsam breit machenden Verdacht, das hier Dinge vorgingen, die sich jeder logischen Erklärung entzogen, ist er fast dankbar für die Frage des Hünen. Er denkt kurz nach, dann schüttelt er den Kopf. „Ich kann nicht sagen, daß ich den Namen noch nicht gehört hätte, aber ich kenne keinen Brawin. Wer ist der Mann, das ihr ihm das hier zutraut?“

Die Geste ist knapp, aber schließt unverkennbar sie und die ganze Landschaft ein. Die gute Laune des Riesen hat für Keresin schon etwas Surreales an sich. Für ihn, den Offizier einer untergegangen Armee eines untergegangenen Reiches gibt es weder Freiheit noch Zukunft, nur noch den Weg der Ehre. Er hatte die Erlaubnis erhalten in den Reihen der Yedeiten zu kämpfen, wenn der Feind vor den Mauern Estichas erschien. Mit den Eluriern zu fechten, das hatte er nicht über sich gebracht. Zwei, höchstens noch drei Tage bevor der Feind vor den Mauern stand und er blickte von einem Strand im Nirgendwo hinaus auf den Metcha. Verdammnis! Wenn er zur Mobilisierung nicht bei der Yedeiteneinheit erschien, dann würde sein Name für alle Zeiten mit der Schande der Feigheit vor dem Feind und der Fahnenflucht beladen sein! Für einen Moment entgleitet ihm die Selbstkontrolle und seine Anspannung und Bitterkeit finden einen Weg auf seine Gesichtszüge.

Als die Ketzerin in ihre Richtung spuckt, werden Iras Augen schmal. Sie ballt die Fäuste. Jetzt reicht es. Asnivala hin oder her. Sie will der Schlampe an die Gurgel gehen. Doch sie stoppt in der Bewegung. Was hatte die Ketzerin gesagt? Das es er nicht anders geht? Dann ist die also auch nicht von hier? Aber während sie noch irritiert dasteht kriegt sie Antwort aus dem Mund der Ketzerin. Iras Fäuste gehen wieder auf. Das muß sie erst verdauen. Was bei Lijans eitrigen Titten war hier los? Auch die Ketzerin ist am Arsch der Röhre aufgewacht! Die Gedanken in Iras Kopf spielen fangen. Sie kriegt kaum mit, daß die Fremde sich die Asnivala umschnallt. Auch ihre Worte dringen nicht gleich zu Ira durch. Aber als sie was von Ruinen von Vorovis sagt, da klingelt es bei Ira.
„Bist du völlig irre? Was erzählst du da? Ruinen von Vorovis? Umkämpft? Frühere Grenze? Manche sollten nicht saufen. Schlecht fürs Hirn. Auch wenns nur Witz war, dann wars ein ganz mieser. Damit macht man keine Witze. Sonst gibt’s ein paar aufs Maul. Verstanden?“
Iras Stimme ist kratzig vor Wut. Aber da ist noch was anderes. Angst! Nicht vor der Ketzerin, nein. Aber die Situation wächst ihr über den Kopf, immer mehr. Sie versteht nichts, sie hat keine Kontrolle. Es ist wie ein Alptraum aus dem sie nicht aufwachen kann.

Kaar zuckt beinahe mitfühlend zusammen, als der dröhnende „Klaps“ auf den Fremden niedergeht, weiß er doch genau wie sich eine solche freundschaftliche Geste von Gronk anfühlt. Er kann die Schlussfolgerung seines Bruders nicht abstreiten. Immerhin sind sie auch gerade aufgewacht, haben keine Ahnung wo sie sind und eigentlich auch nicht, wie sie hierhergekommen sind. Lediglich, dass es ein erfreuliches Ereignis ist. „Nicht jeder Landstrich wird auf jeder Karte sein“, heben sich seine Lippen zu einem beruhigenden Lächeln und er ist versucht, dem Fremden ebenfalls auf den Rücken zu klopfen. Kurz gleiten seine Augen zu dem im Sand sitzenden Hünen, der den Beutel erkundet und einige Kleidungsstücke aus diesem heraus holt, die ähnlich wie seine zu dem heißen Klima und seiner Größe passen, aber nicht zu dem Fundus des eigenen Kleiderschranks. Eine Musterung des Fremden macht deutlich, dass der Mann lediglich aussieht wie ein Soldat, aber nicht so gekleidet ist. „Brawin“, wiederholt er den Namen und hebt die Schultern an:“ Ist jemand, der einen nicht lange im Ungewissen darüber lässt, dass er es ist, dem man was schuldet. Und ihr seht nicht so aus, als seid ihr besonders glücklich über ….. euer Hiersein. Wir werden wohl nicht herausfinden wo wir sind, wenn wir hierbleiben und uns das Hirn wegbrennen lassen. Gronk", sieht er wieder zu seinem Bruder:" Du hast dir wirklich Bruni auf den Hintern malen lassen? Ich dachte das sei ein Gerücht."

Sundara zieht die Augenbrauen zusammen, legt den Kopf schief und schaut die Nackte an. Was war denn das schon wieder? Gibt es wirklich eine klitzekleine Möglichkeit, dass jemand von dem Angriff der Sragon nichts mitgekriegt hat? Noch dazu wenn man, kaum dass man den Mund aufmacht, Gott und der Welt verklickert, dass man aus Vorovis kommt? Vorovis, die Schwarze Stadt, die sie zwar nie gesehen hat, aber doch so viel gehört? Vorovis, die Stadt, die von den Sragon komplett überrannt worden war, und deren Einwohner entweder über Yoroms Eisfelder wandelten - falls diese Ungläubigen nicht direkt zu Lijan fahren würden, wer wusste das schon? - oder aber als Flüchtlinge vor Estichà aufgetaucht waren? Nein, es ist ganz und gar unmöglich, dass so ein Ereignis unbemerkt geblieben wäre. Wieder wandern ihre Augen über den nackten Körper. Bei allen Göttern, müssen diese Riesenhupen im Kampf hinderlich sein... aber was war sonst mit dieser Frau los?

Plötzlich fällt es Sundara wie Schuppen von den Augen. Jemand rennt hier nackt durch die Gegend und redet wirres Zeug, ja, es gibt nur eine Schlussfolgerung. Sundara hat es selbst erlebt, wie Kameraden in der Schlacht plötzlich den Verstand verloren haben, wie von Sinnen auf die Sragon losgerannt sind und von diesen in der Luft zerrissen, am Boden zerfetzt oder einfach niedergetrampelt wurden. Oder aber in die entgegengesetzte Richtung gerannt, sich die Kleider vom Leib gerissen hatten und sich womöglich am Ende ins eigene Schwert geworfen. So muss es sein: Die Frau mit den großen Brüsten hat vor lauter Angst komplett durchgedreht, rennt jetzt nackt durch die Gegend und verdrängt den Ursprung ihrer Angst aus vollen Kräften. Sundara seufzt tief. Herrlich! Jetzt ist sie irgendwo aufgeschlagen, und womöglich einzig mit einer Verrückten auf der Insel. Naja, irgendwie wird sie sich wohl arrangieren müssen...

"Ganz ruhig," meint sie also so einfühlend wie möglich. "Ich würde sagen, wir lassen das vorerst, und sehen erst einmal zu, dass du etwas zum Anziehen kriegst. Und dann können wir ganz in Ruhe reden, ich höre dir gern zu."

Sie schaut Ira freundlich auffordernd an.