Forum Übersicht - RE: 3.Tag/Bei Misaki - 4

Es dauert nicht lange bis sich die Haustüre wieder öffnet und Keresin neigt danken den Kopf als er über die Schwelle tritt. Ihres Hinweises hätte es nicht bedurft, denn Keresin ist schon dabei aus den Sandalen zu schlüpfen. Misaki, ihre Haltung, ihre Art und wie sie ihn auf ein gar nicht gegebenes Wort festnagelt, beeindruckt Keresin. So erklärt er mit einer angedeuteten Verbeugung. „Selbstverständlich, werte Misaki, ihr habt mein Wort.“ Dann folgt er der älteren Frau durch das peinlich saubere Haus, in dem Ordnung und Eleganz eine besondere Stimmung erzeugen, hinaus auf die Veranda auf der Ira und Sundara sitzen. Immer noch trägt er die einfache Arbeitskleidung aber an einem fremdartigen Waffengurt mit Knochenschließe hängt jetzt eine Asnivala, die der neuen Waffe Iras ähnelt. Als er Ira sieht, gibt es ihm einen Stich. Aber er läßt sich kaum etwas anmerken, jetzt ist er ganz und gar Offizier, kühl, distanziert und formell. Er deutet eine Verbeugung an. „Seid gegrüßt.“: sagt er förmlich und sein Blick löst sich von Ira und wandert zu Sundara. „Schön das ihr da seid, Sundara. Das erspart mir einen Weg. Ich bin gekommen um euch zu warnen.“

„Das hoff ich auch.“: sagt Ira zu Sundara. Nur kurz schaut sie zu ihr. Dann geht ihr Blick zu Misaki. Sie wundert sich und sie ärgert sich auch ein bißchen. Warum sollte sie Keresin in ihrem Zustand provozieren? So blöd ist sie nicht. Aber die Warnung wundert sie. Das Keresin gefährlich ist, weiß sie aus allererster Hand. Er hätte sie ohne große Mühe auf die Eisfelder geschickt wenn er gewollt hätte. Aber Misaki redet nicht einfach so daher. Sie wird einen guten Grund haben. „Ich werde ihn nicht provozieren, Misaki. Darauf könnt ihr euch verlassen.“: sagt sie bestimmt. Misaki macht die Schiebetür nicht ganz zu. Sie kann seine Stimme von draußen hören. Als er auf die Veranda kommt, ist Ira auf dem Sprung. Sofort springt ihr die Waffe an seiner Seite ins Auge. Er trägt sie mit der Selbstverständlichkeit vieler Jahre. „Heil Vorovis.“: erwidert sie auf seinen Gruß. Sie kann die Uniform an ihm fast sehen so läßt der den Offizier heraus hängen. Aber sie hat versprochen nicht zu stänkern. So hält sie den Mund. Trotz dem Getue ist etwas anders an ihm. Dann schaut sie ihn überrascht an. „ Warnen? Was ist los?“: fragt sie nach. Dann sagt sie noch: „Willst du dich nicht hinsetzten? Dann brauchen ich mir nicht den Hals verrenken wenn wir miteinader reden.“ Ira zeigt auf einen Hocker.

Sundara sitzt also da und schaut nicht gerade überfreundlich zur Tür als Keresin eintritt. Umso mehr positiv überrascht wirkt sie, als eine ziemlich freundliche Begrüßung erklingt, ja, mehr noch, er auch noch äußert, froh zu sein, Sundara hier anzutreffen. Wohl hat sie vielmehr erwartet, er würde sie gleich zu beginn des Raumes verweisen wollen. Das Positive in ihrem überraschten Blick macht dann jedoch ziemlich rasch einer gehörigen Portion Skepsis Platz. Eine Warnung? Wovor? Vor ihm selbst? Oder doch vor irgend etwas, das passiert sein könnte? Einer Gefahr, der sie selbst noch nicht begegnet ist? Und Ira freilich auch nicht, ist sie doch bisher auch nicht ewig viel rumgekommen. Und so schaut sie ihn skeptisch und doch auch unsicher an. Ist sie jetzt auch noch Kriegerin? Nein, nicht so richtig, oder wenigstens nicht so, wie man sich landauf landab einen richtigen Krieger vorstellt, an dem alles abprallt, der immer Haltung bewahrt, ganz gleich was passiert. Und so kommt ein etwas zögerliches „Sichàra“ über ihre Lippen. Nein, nicht herzlich, aber auch nicht unfreundlich. Eben ganz zu ihrem Gesichtsausdruck passend. Und kaum schließt sich ihr Mund nach dem kurzen A am Ende des in weiten Teilen der Röhre üblichen Grußwortes, bekommt auch schon die Unterlippe die Kraft ihrer Schneidezähne zu spüren. Die Frage, wovor also Keresin die beiden Damen warnen wollte, ist bereits von Ira ausgesprochen, wird von Sundara nicht vokal, aber vielmehr mimisch wiederholt.

Kurz überlegt Keresin dann zieht er den Hocker zu sich und setzt sich und rückt dabei ganz automatisch seine Asnivala zurecht sodaß sie ihn nicht behindert. Der Blick seiner grauen Augen bleibt bei Ira hängen und für einen Herzschlag lang schimmert fast so etwas wie Bedauern durch die kühle Maske, die er zur Schau stellt. Dann räuspert er sich und beginnt zu sprechen, ohne Geschwafel und auf den Punkt kommend, wie es seine Art ist. „Das hier etwas ganz und gar nicht stimmt liegt auf der Hand, aber ich hatte heute Morgen bin ich auf handfeste und bedrohliche Beweise gestoßen.“ Er erzählt das der den gestrigen Nachmittag im Silberkrug verbracht hat und dabei mehr getrunken hat, als gewöhnlich, von seinem orientierungslosen Marsch durch die Ruinen und seinem ausgewachsenen Rausch. Beschreibt kurz die Ruine in deren Garten er sich in dem gut erhaltenen Pavillion schlafen gelegt hatte. Er erwähnt auch das er von Blitzen geträumt oder es in seinem Rausch zumindest für einen Traum gehalten hatte, von seinem Erwachen im Morgengrau und dem Gestank verbrannten Fleisches. „Ich bin dem Gestank nachgegangen und habe in einer benachbarten Ruine vier Leichen gefunden. In der Hitze hatte die Verwesung bereits eingesetzt, aber nach dem Zustand der Leichen kann der Zeitpunkt ihres Todes nur ein paar Stunden zurück gelegen haben. Sie müssen in der Nacht auf die Eisfelder befördert worden sein währen ich kaum ein paar Dutzend Vat weit weg meinen Rausch ausgeschlafen habe. Das wirklich Erschreckende aber ist die Todesart. Die Leichen wiesen verkohlte Wunden auf die genau so aussahen als hätte man weißglühende Metallstäbe durch die Körper getrieben, quer durch Muskeln, Organe und Knochen. Später habe ich von Ninim erfahren, daß es sich bei den Toten um sogenannte Marodeure handelt, die immer wieder hier auftauchen und alles und jeden angreifen, der ihnen über den Weg läuft. Aber das ist nicht der springende Punkt!“ Keresin sieht für einen Moment zu Sundara und dann wieder zu Ira. „Fakt ist hier läuft irgendjemand mit einer unvorstellbaren Waffe herum und setzt sie auch ein! Eine Waffe gegen die es augenscheinlich weder Schutz noch Gegenwehr gibt, denn die Toten waren alle bewaffnet und einer trug auch einen seltsamen Brustpanzer aus Knochenschuppen. Davor wollte ich euch warnen.“

Ira merkt die kurze Veränderung seines Gesichtsausdrucks. Aber sie ist sich nicht sicher was es zu bedeuten hat. Dann schaut sie mehr auf Kersins Gesicht als das sie zuhört. Es tut ihr jetzt wirklich leid, daß sie so ausgerastet ist. Erst als er etwas von Leichen sagt wird sie aufmerksam. Für einen Moment bleibt ihr der Mund offen als er über die Wunden redet.. Ira schüttelt fassungslos den Kopf. „Verdammt! Wie gibt’s denn so was? Das kann doch gar nicht sein! Niemand kann Löcher durch Leute brennen!“ Ihre Worte sind kein Zweifel an Keresin. So unglaublich sich das auch anhört sie ist sich sicher das er die Wahrheit sagt. Sie spürt seine Beunruhigung hinter der glatten Maske. Trotzdem ist es schwer zu glauben. Sehr schwer sogar. „Eine Waffe? Nein, das muß ein lijanverfluchter Zauber sein!“: sagt sie mit Überzeugung. „Aber in einem hast du absolut recht. Es muß jemand geben, der solche verfluchte Zauber wirken kann und damit ist die Scheiße am Dampfen. Und das ordentlich.“ Plötzlich kommt ihr ein Gedanke. „Das Katzenvieh! Es muß die verdammte Katze sein! Deshalb hat sie auch keine Wachen! Wer braucht schon Wachen wenn er Löcher in Leute brennen kann.“ Iras Augen glitzern als sie Sundara anschaut.

Aufmerksam hört Sundara zu. Ihr Blick liegt tief in dem Keresins, und wenn dieser auch zu Ira sieht, wird er den Blick auf jeden Fall spüren. Nichts ist mehr von der Skepsis von vorher zu spüren, wenngleich die Überraschung aus verständlichen Gründen bleibt, ja, sich noch verstärkt. Schließlich blitzt es in Sundaras Augen auf. Sie steht mit einem Ruck auf. Der Stuhl fällt polternd zu Boden. Sie geht zu dem Geländer, das die Veranda vom Garten abgrenzt. Sie stützt sich darauf, haut dann einige Male mit beiden Händen auf das Geländer. Ein kaum überhörbarer Fluch verlässt ihre Lippen. Dann dreht sie sich um, schaut Ira und Keresin wieder an. Auf ihrer Stirn deuten sich Sorgenfalten an. Sie atmet tief durch.

"Die Blitze," beginnt sie dann, sich an Keresin wendend, "also, die Blitze, die hast du nicht geträumt. Ich habe sie auch gesehen. Drei Blitze bei klarem Himmel. Bei allen Göttern, ich habe keine Ahnung, was diese Blitze waren, aber sie waren da, da bin ich mir so sicher, wie ich Sundara heiße. Genauso sicher, dass da irgendetwas war und uns beobachtet hat, als ich mit Gronk Wasser holen gegangen bin."

Sie macht eine kurze Pause, atmet noch einmal durch, dann fährt sie fort: "Und diese Waffe, es klingt fast so, als würde da jemand mit einer Armbrust glühende Bolzen verschießen. Das macht freilich überhaupt keinen Sinn, es muss sich also wirklich um etwas anderes handeln. Wir sollten jetzt aber nicht in Panik verfallen - wir haben keine Rüstung, also ist diese Waffe nicht tödlicher als ein Pfeil. Was mich betrifft, ich gebe deshalb nicht auf. Ich will wissen, was hier vor sich geht, ich will wissen, ob wir hier wegkommen, und wenn wir es können, will ich es so schnell wie möglich tun. Aber wir müssen vorsichtig sein. Ein Feind, der unbekannte Waffen besitzt, ist nur sehr schwer einzuschätzen."

Sie kehrt zum Tisch zurück, hebt den Stuhl auf, setzt sich wieder hin.

"Ira, ich bin ganz deiner Meinung, wenn du sagst, dass von all jenen, die wir hier kennengelernt haben, am ehesten die Ehrenwerte solch eine Waffe besitzen könnte. Es könnte aber auch sein, dass Misaki ebenso solch eine Waffe besitzt. Oder aber die Waffe könnte jemandem gehören, dem wir bisher einfach noch nicht begegnet sind. Also, wir haben hier diese Waffe, und sie wurde gegen Leute eingesetzt, die den Menschen hier eindeutig Böses wollen. Das bedeutet für uns, ganz gleich, was wir planen, wir dürfen nicht den Anschein erwecken, für die Leute hier eine Bedrohung darzustellen. Denn dann machen sie wohl auch mit uns kurzen Prozess."

Sie wendet sich dann an Keresin.

"Etwas anderes: Die Libellen, die hier überall herumfliegen, das sind keine normalen Libellen. Ich habe gesehen, wie sich ein Vogel auf eine dieser Libellen gestürzt hat. Die Libelle ist explodiert, und der Vogel hat ebenfalls nach verbranntem Fleisch gestunken. Und die Libelle, naja, was von ihr übrig blieb, hatte am Ehesten mit einem Stück Metallschrott zu tun. Hat jetzt nicht unbedingt etwas mit deiner Beobachtung zu tun, aber ich dachte, du solltest das ebenfalls wissen."

Urplötzlich fährt ihre Faust auf den Tisch.

"Bei Lijan, in was für einer gottverdammten Scheiße sind wir denn hier gelandet?"

„Also doch.“: sagt Keresin als Sundara erzählt das auch sie die Blitze gesehen hat. Er hatte in seinem Rausch die ganze Angelegenheit verschlafen obwohl er ziemlich nahe dran war und noch dazu an exponierten Stelle. Entweder hatte er ein Riesenglück gehabt oder die Unbekannten hatten es nicht auf ihn abgesehen gehabt. Er hört den Beiden zu. Nur als Sundara etwas von Panik verfallen sagt, wirft er etwas zynisch ein: „Sehe ich so panisch aus daß du dir Sorgen machen mußt?“ Die Schlußfolgerungen von Ira und Sundara scheinen ihn nicht besonders zu beeindrucken, aber als Sundara von der explodierenden Libelle erzählt hat sie wieder seine volle Aufmerksamkeit. „Dann werden wir vermutlich beobachtet.“: sagt er nach einer kleinen Pause. „Mir ist schon aufgefallen, daß sich diese Libellen sehr sonderbar verhalten. Normalerweise sind sie Räuber die ihre Beute im Flug fangen, aber diese hier scheinen weit mehr Interesse an uns zu haben als an einer Mahlzeit.“ Die Ungeheuerlichkeit, daß ein Tier explodiert und die Überreste aus Metall bestanden haben sollen, scheint ihn seltsamerweise weniger zu interessieren. „Das möchte ich auch gern wissen.“: erwidert er auf den Ausbruch Sundaras um sich dann an Ira zu wenden. „Kann gut sein, daß diese Meisterin oder Ehrenwerte diese Waffe besitzt. Sie scheint hier großen Einfluß zu haben. Ninim ist der Meinung, daß sie die Einzige wäre die wissen könnte ob und wie man hier wieder fort kommt. Der grimmige Witz dabei ist, daß es sich um eine Katze handelt. Die Frage ist nur ob jemand wie sie in der Nacht durch die Stadt streift und Marodeure exekutiert. Das paßt irgendwie nicht zusammen. Unsere Gastgeberin dagegen könnte ich mir in dieser Rolle durchaus vorstellen. Aber ….“ Keresin denkt einen Moment nach um die Worte für seine Bedenken zu finden. „. Diese Libellen, irgendwer muß sie bauen, denn wenn sie aus Metall sind, dann sind sie nicht natürlich gewachsen. Ob nun eine Waffe oder Magie den Tod dieser Marodeure herbeigeführt hat, ich glaube daß da mehr dahinter steckt als nur ein paar Personen.“

„Tot ist tot, soweit stimmts“: sagt Ira zu Sundara. „Aber egal ist das nicht ob der Feind mit Pfeilen schießt oder Löcher durch Leute brennen kann.“ Sie muß grinsen über Keresins Bemerkung. Nein, panisch kann sie sich ihn wirklich nicht vorstellen. Misaki? Daran hat Ira noch nicht gedacht. Aber ganz unmöglich ist das nicht. „Sie war gestern Abend hier. Aber die Medizin die ich bekomme läßt mich tief und fest schlafen. Also kann sie weg gewesen sein. Ich weiß nicht was sie ist. Aber ich bin mir fast sicher, dass sie eine ausgebildete Kämpferin ist. Man muß nur schauen wie sie sich bewegt.“: sagt sie. Sie schaut Keresin von der Seite her an. „Also möglich wär es das sie diese Kerle ausradiert hat. Ich trau es ihr zu.“ Dann dreht sie sich zu Sundara. „Das sich die Leute wehren, wenn wir sie angreifen ist klar. Läßt sich ja keiner einfach so abmurksen. Aber diese Zauberei oder Waffe macht einen verdammten Unterschied. Ich sags nicht gern. Aber wir sollten wirklich aufpassen bis wir klar sehen. Ich hab keine Angst vor einem Kampf, aber das wär so wie eine Dreckskatze mit einem Zahnstocher angreifen. Dann dreht sie sich ruckartig zu Keresin „Was meinst du mit bauen? Wie kommst du darauf, daß die Libellen jemand baut? Das ist lijanverfluchte Zauberei! “: fährt sie Keresin an. „So was kann niemand bauen.“ Sie schaut ihn als ob sie an seinem Verstand zweifelt.

Sundaras Augen weiten sich extremst, als Keresin seine Theorie erklärt. Dann jedoch ziehen sich ihre Augenbrauen zusammen, und reichlich ungläubig sieht sie ihn an. Als dann Ira antwortet, beginnt sie, energisch mit dem Kopf zu nicken.

"Ich bin mir da absolut sicher," antwortet sie, indem sie Keresin mit einem Blick, der gar noch intensiver ist, als der, der vielen eh schon zu aufdringlich erscheinen mag, jedoch mit einer Handbewegung, die zustimmend auf Ira zeigt, "da war kein Huf oder irgendwas in dem Ding, das es zum Fliegen hätte bringen können. Und ein Stück Metall, das sich plötzlich von ganz allein in die Lüfte erhebt? Komm, Keresin, genausogut könntest du mir sagen, die Röhre wäre eine Kugel, oder aber ein Karkechgespann könnte plötzlich fahren, indem man die Karkechs ausspannt und irgendeien schwarze Soße in die Kutsche gibt, die aus der Erde quillt. Außerdem, mal angenommen, das mit dem Fliegen würden die hingekriegt haben, was für mich ganz und gar undenkbar erscheint, aber wie können die uns damit beobachten? Ich meine, wie können die ihnen danach erzählen, was sie gesehen haben? Wie willst du etwas bauen, was fliegen kann, ohne irgendwo die Kraft dafür herzukriegen, und danach auch noch reden kann, ohne dass jemand darin steckt, der der Sprache überhaupt mächtig ist? Nein, nein, und noch einmal nein, Keresin, ich schätze deine Meinung wirklich sehr, aber hier bist du ganz sicher auf dem Holzweg. Ganz egal, über was für Mächte die verfügen, aber das, das geht eindeutig zu weit. Das kann niemand beherrschen. Und wenn sie halbe Götter wären. Aber alles geht nun mal nicht."

Sie steht nun wieder von ihrem Stuhl auf, geht zu dem Geländer der Veranda. Dort kramt sie eine Zigarette hervor und steckt sie sich an.

"Jedenfalls," fügt sie dann hinzu, "denke ich, wir sollten hier niemandem absolut trauen. Auch Misaki nicht, die wohl einen ganz und gar vertrauensvollen Eindruck macht. Aber am Ende fingiert auch Stanchek nur den dummen Trunkenbold, und er ist es, der mit dieser geheimnisvollen Waffe herumläuft. Das letzte Mal, als ich da war, war ein gar allzu bezauberndes Püppchen im Dienst - keine Ahnung, was er gemacht hat. Oder die Waffenschmiedin, die auschaut, als ob sie zwar heftig dreinschlagen könnte, aber halt mit dem Überlegen Probleme hat, wer weiß, was die auf dem Kerbholz hat. Und, um jetzt extrem zu werden: Wer sagt uns, dass es nicht Lenari ist, die nur hier ist, uns zu beobachten, und uns bei Bedarf ein Loch in den Bauch brennt?"

Sie zieht an ihrer Zigarette, bläst den Rauch in den Garten. Dann wendet sie sich ziemlich direkt an Keresin.

"Wir hatten, glaube ich, nicht den besten Start," sagt sie dann. "Aber kannst du dir vorstellen, weiterhin mit Ira und mir zusammenzuarbeiten, um hinter das Geheimnis dieses ganzen Kuddelmuddels zu kommen, und möglichst bald hier wieder wegzukommen?"

Stumm verflucht sich Keresin, daß er sich zu dieser Äußerung über die Libellen hinreißen hat lassen. Dieser verdammte Ort nagte an seiner Selbstkontrolle. So etwas durfte einfach nicht passieren. Er gehörte zu den sehr kleinen Kreis von Außenstehenden denen gestattet worden war das geheimnisvolle MilWis zu betreten. Obwohl er bei dieser Gelegenheit nur die ersten beiden Ebenen sehen durfte hatte dieser Tag seine Weltsicht für immer verändert. Was er dort gesehen hatte, ließ die Metallinsekten fast schon gewöhnlich erscheinen. Aber er bezweifelte, daß selbst wenn den Eid bräche, der ihn zu absoluten Geheimhaltung verpflichtete, ihm jemand Glauben schenken würde. Aber er war Offizier der Reichsarmee, hatte seinen Eid auf das neue Vorovis und seinen Herrscher geleistet und würde eher sterben als diesen Eid zu brechen. So zuckte er bei den Vorhaltungen Iras und Sundaras nur scheinbar gleichgültig mit den Schultern und bemühte sich ein unbeteiligtes Gesicht zu machen, ganz so als wolle er eine begangene Dummheit überspielen und hoffte das diese kleine Szene glaubhaft genug sein würde um über seine Außerung hinweg zu spielen. Sundaras Bemerkung über das allzu bezaubernde Püppchen, mit dem sie nur Ninim gemeint haben kann, läßt ihn dann verhalten schmunzeln. Aber er hält sich auch jetzt zurück. Allein der Gedanke an Ninim bringt ihn schon aus dem Gleichgewicht. „So gesehen kann es jeder sein und es ist immer empfehlenswert mit dem Vertrauen äußerst sparsam umzugehen, ganz besonders hier.“ Für einen Moment schweift er im Gedanken schon wieder zu Ninim ab. Vertraute er ihr? Nein, sicher nicht. Aber er begehrte sie und das machte ihn verwundbar. Fast hätte er Sundaras letzte Sätze überhört und er reagiert ein wenig spät auf ihr Worte. „Kommt darauf an was du unter Zusammenarbeit verstehst.“: sagt er etwas kryptisch und beginnt erst jetzt darüber nachzudenken.

Sundara lehnt sich mit dem Rücken gegen das Geländer, stemmt sich mit den Händen nach oben und setzt sich darauf. Wie zieht noch einmal an ihrer Zigarette, während sie mit den Schultern zuckt. Dann schaut sie Keresin und Ira abwechselnd an.

"Sagt ihr es mir, wie weit eine solche Zusammenarbeit gehen könnte," antwortet sie dann ruhig. "Ihr beide habt euch in die Haare gekriegt, ihr beide müsst wissen, ob und wie weit ihr euch noch über den Weg traut, und wie weit ihr es euch vorstellen könnt, zusammen etwas zu unternehmen. Was mich betrifft, mir ist nur wichtig, dass nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht und am Ende noch die anderen behindert, weil er alleine von hier weg will. Insofern ist das hier" - und sie macht mit dem Zeigefinger der linken Hand eine kreisende Bewegung - "auch schon eine Form von Zusammenarbeit."

Sie zieht noch einmal an ihrer Zigarette, bläst den Rauch wieder in den Garten. Schließlich fügt sie hinzu: "Ich kann und will euch da zu nichts drängen. Aber wir sind Wenige. Wir sollten uns nicht bei der ersten Gelegenheit vollständig zerstreiten."

Wobei wohl keiner der Anwesenden wissen kann, dass diese Worte ihren Ursprung gar nicht mal in der kleinen Bogenschützin haben, sondern in dem etwas geheimnisvollen Hünen, dem man irgendwelche Weisheiten im ersten Moment gar nicht einmal so zutrauen würde.

Ira hört Sundara zu. „Misaki lügt uns nicht an. Sie sagt vielleicht eine Menge nicht, aber sie lügt nicht. Ich spür das.“: sagt sie. „Auch wenn es komisch klingt, ich weiß es einfach.“ Dann wendet sie sich an Keresin. „Ist das Alles was dir einfällt? Achselzucken?“ :fragt Ira gereizt. Sie läßt ihn nicht aus den Augen. Viel ist aus seinem Gesichtsausdruck nicht abzulesen. Aber das er mehr weiß als er sagt ist klar für Ira. Sie nickt. „Schon gut, ich versteh.“: winkt sie ab. „Alles geheim, oder?“ Ihre Stimme klingt resignierend. Sie weiß das sie Keresin keine Silbe heraus locken kann wenn er nicht will. Also versucht sie es gar nicht. Sundara hat schon recht mit dem was sie sagt. Aber sie hat alles getan um einen groben Keil zwischen sich und dem einzigen Vorovisaner zu treiben. Er ist der Einzige, dem sie vielleicht halbwegs trauen könnte. Keresin zögert auf die Frage Sundaras. Sie selbst überlegt, aber dazu braucht sie nicht lang. Ungeschehen kann sie den Zusammenstoß nicht machen, daß weiß sie. Aber sie weiß auch daß sie den ersten Schritt machen muß. Da führt kein Weg daran vorbei. Auch wenn es zu nichts führt. Sie tut etwas, was sie vor ein paar Tagen noch nicht getan hätte. Sie dreht sich zu Sundara. „Kannst du uns bitte für einen Augenblick allein lassen. Ich will mit Keresin reden. Das fällt mir leichter wenn wir allein sind.“

Dieses Mal ist es Sundara, die mit den Schultern zuckt. Sie sieht Ira an. Es ist ein überaus positiver Blick, aufmunternd und beruhigend zugleich. Ein warmer Blick, zustimmend und bestärkend. Und wieder einmal erscheint die Antwort ihrer Augen weit ausführlicher als die ihres Mundes zu sein.

"Klar doch," sagt sie nur kurz, dann schwingt sie die Beine über das Geländer und springt in den Garten. Sie geht durch das wohlgepflegte Grün. Sie rennt nicht, aber sie schlendert auch nicht. Zwei, drei Mal findet die Zigarette den Weg zu ihrem Mund. Ihre Augen schweifen über den Garten. Da erblickt sie einen Baum, und diesen kürt sie wohl zum Ziel ihres kleinen Spazierganges. Sie setzt sich nun nicht einfach in das weiche Gras unter dem Baum, nein, sie zieht sich auf den untersten Ast und setzt sich darauf, den Rücken gegen den Stamm gelehnt, die Füße auf dem Ast. Es ist nicht anzunehmen, dass sie nun noch ein einziges Wort vernehmen könnte, wenigstens dann nicht, wenn Ira und Keresin nicht zu schreien beginnen. Aber, und das ist ganz außer Zweifel, sie kann wohl sehen, was auf der Terrasse vor sich geht. Sie ist da, wenn man sie braucht, ein Wink würde genügen. Sie ist da, wenn es gefährlich wird zwischen den Beiden. Doch wie sie nun so da sitzt, ziemlich lässig und gemütlich vor sich hin rauchend, scheint sie dies nicht zu vermuten. Ihr Blick ist jedoch meist auf die zwei Vorovisen gerichtet.

Dankbar lächelt Ira Sundara zu. Dann wartet sie bis die Elurierin außer Hörweite ist. Sie ist nicht gut in sowas. Aber sie ist fest entschlossen über diesen Schatten zu hüpfen. Nervös leckt sie über ihre Lippen. Schaut Keresin an. „Ich weiß es war falsch was ich gemacht hab.“: fängt sie an. „Ich will mich nicht entschuldigen. Ich weiß, daß es unverzeihlich ist. Aber ich möchte, daß du weißt das es mir leid tut. Ich weiß nicht was da über mich gekommen ist. Diese ganze Scheiße hier...“ Sie hebt die Hände und läßt sie wieder fallen. „Ich will mich nicht herausreden. Was ich gemacht hab, hab ich gemacht. Aber diese Scheiße hier...die Jahre die ich verloren hab...das war verdammt viel für den Anfang.“ Ira schluckt. Sie übertreibt nicht. Es tut ihr leid und wie würde es rückgängig machen wenns möglich wäre. „Ich….“: sie schaut Keresin aus ihren dunklen Augen an. Sagt nichts, schaut ihn nur an. Sie spielt ihm nichts vor. Aber sie versteckt ihre Gefühle nicht. Sie läßt ihn einfach die Wahrheit sehen. Dann schaut sie auf den Tisch vor sich. „Tut mir leid. Wirklich!“ Es fällt ihr schwer. „Wir sind die Einzigen aus der Heimat hier. Wem soll ich denn trauen wenn nicht dir? Ich meine, es muß ja nicht die große Liebe ausbrechen zwischen uns. Aber ich will dir sagen, daß du dich auf mich verlassen kannst. Ich steh an deiner Seite, wenn du mich brauchst. Ich will weg hier! Egal was es kostet und egal was mich zu Hause erwartet.“ Jetzt schaut sie ihn wieder an. „Bei Hostinos! Das ist die Wahrheit!“ Sie spürt ihre Augen feucht werden. Sie versteckt es nicht.

Auf Iras Vermutung mit der Geheimhaltung reagiert Keresin einfach nicht. Doch Iras Wunsch allein mit ihm zu sprechen, überrascht ihn. Ohne sie zu unterbrechen hört er ihr ruhig zu. Als sie ihn einfach nur ansieht, gibt es ihm einen Stich. Sie spielt nicht, sie übertreibt nicht und sie versucht offensichtlich nicht ihn zu umgarnen. Selbst ihr furchtbarer Gossenjargon ist in den Hintergrund getreten. „Was hätte nur aus uns werden können?“: frägt er sich in diesem Moment und er beginnt zu überlegen ob er die ganze Angelegenheit nicht vergessen sollte. Doch er weiß daß er es nicht kann. Wäre es eine private Sache zwischen ihnen gewesen, hätte Keresin sie in diesem Augenblick begraben. Aber es war keine private Geschichte! Iras Angriff hatte sich gegen das Fundament der Armee und des Staates gerichtet. Was wäre die Reichsarmee ohne Disziplin? Ein Haufen bewaffneter Herumtreiber, nicht mehr. Das konnte er weder vergessen noch verzeihen. Er braucht einige Zeit bevor er ihr antwortet aber dann tut er so ehrlich und offen wie er es vermag.

„Danke, Ira. Zu aller erst will ich mich bei dir entschuldigen für die persönlichen Beleidigungen. Sie waren unangemessen und standen mir nicht zu. Außerdem hab ich im Zorn gesprochen. Ich habe nicht die Befugnisse um dich zu verstoßen und für vogelfrei zu erklären. Auch dafür entschuldige ich mich. Ich hege keine persönliche Groll gegen dich und schon gar keine Feindschaft. Aber deine unehrenhafte Entlassung ist rechtens und angemessen. Das weißt du selbst. Ich kann das nicht einfach vergessen. Könnte ich es dann wäre ich selbst eine Schande für die Uniform die ich trage.“ Es ist ein langer Blick in ihre dunklen Augen bevor er weiter spricht. „Als Standortkommandant habe ich die Pflicht grobe Verstöße zu bestrafen. Allerdings...“ Wieder sieht er sie eine kleine Weile an. „Bin ich für diesen Standort nicht ausdrücklich zum Kommandanten bestellt worden. Gewöhnlich wird davon ausgegangen, daß im Operationsgebiet der anwesende ranghöchste Offizier auch Kommandant des Standortes ist, ausdrücklich festgelegt ist das jedoch nicht. Militärstrafrechtlich bedeutet das bei enger Auslegung, daß ich zwar befugt bin dich zu degradieren, deine unehrenhafte Entlassung aber von einem Kriegsgericht bestätigt werden muß. Da ein ordnungsgemäßes Kriegsgericht aber aus mindestens zwei Offizieren bestehen muß, kann für die Dauer unseres Aufenthaltes hier kein endgültiges Urteil gesprochen werden. Was weiters bedeutet, daß du degradiert und vom Dienst suspendiert bist, aber nicht aus der Armee ausgestoßen und bis zum Urteil eines Kriegsgerichtes auch keine weiteren Strafen in dieser Sache gegen dich verhängt werden.“ Keresin weiß das er das Kriegsrecht bis an seine Grenzen verbiegt, sich nur noch um Haaresbreite im legalen Bereich bewegt. Aber er ist überzeugt davon, das Richtige zu tun. „Allerdings sobald wir von hier weg sind, werde ich Anklage gegen dich erheben. Alles weitere ist dann Sache des Kriegsgerichtes.“: fügt er er hinzu. Sein Blick bleibt wieder an Iras Augen hängen. „Danke, Ira. Ich weiß dein Angebot zu schätzen. Auch ich will fort. Mehr als alles Andere! Du kannst auch mit mir rechnen solange wir hier sind.“ Dann senkt er ein wenig die Stimme: „Aber uneingeschränkt gilt mein Wort nur dir gegenüber. Wenn mir die Ketzer im Weg sind…...“ Er vollendet den Satz nicht.