Forum Übersicht - Die Straßen der Stadt » Neuer Tag, neues Glück

Bereits einige Tage sind vergangen, seit es die bunt gewürfelte Truppe auf die Insel verschlagen hat. Man hat sich gesehen, die ersten kleineren Streitereien ausgetragen, Allianzen geschmiedet und versucht, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Wollen die einen noch immer schnellstmöglich zurück in die Heimat ? Oder andere einfach hierbleiben und faul in den Tag hineinleben ? Wer weiß es schon...

Jedenfalls macht sich Lenari am frühen Morgen nach einer weiteren ereignislosen Nacht erst auf in Richtung des großen Brunnens, um sich zu waschen, ehe sie weiter in Richtung Hafen schlendert. Dort sollte sich in eine Angel, eine Reuse oder anderes finden lassen, um den Speiseplan ein wenig aufzupeppen – und alles andere, was sich vielleicht als nützlich erweisen könnte.

Die anfänglich fast unheimlich anmutenden Stille in den Straßen hat ihren leisen Schrecken nach den ersten Tagen verloren, sodass die junge Frau mit leisem Summen durch die Straßen läuft und fast schon routiniert nach allem Ausschau hält, was interessant sein könnte.

Barfuß durch die Straßen schlendernd, bleibt Lenari an einer üppigen dornigen Hecke voller kleiner schwarzer Beeren stehen und greift vorsichtig nach einer Handvoll der Früchte, deren süßer Geschmack zwar keinen Hunger stillt, aber dennoch eine willkommene Abwechslung bietet. Auf der Suche nach einem Sammelbehältnis wird ihr Blick von der Säule angezogen, die einem stummen Mahnmal gleich den kleinen Platz beherrscht. In der Straßen der Allianzhauptstadt, den Straßenzügen gut betuchter Kaufleute oder reicher Adeliger, gibt es Prachtbauten zuhauf, die von den ärmeren Vierteln der Stadt jedoch höchstens aus der Ferne betrachtet werden können.

So verwundert es wenig, dass die junge Frau das hohe, aber durch fehlende Verzierungen im Grunde recht unspektakuläre Gebilde neugierig umrundet. Der schimmernde Glanz wirkt in seiner Makellosigkeit völlig fehl am Platz, betrachtet man die verlassenen Häuser rundherum. So verwundert es auch nicht, dass sich die junge Frau fast schon herausgefordert fühlt, die Widerstandsfähigkeit des Materials zu testen – ist ja niemand in der Nähe, der sich davon stören ließe. Ein probehalber gegen die Säule geworfener Stein prallt völlig unbeeindruckt mit einem dumpfen Geräusch ab, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen, auch die scharfe Kante eines weiteren Steines bringt keine Kratzer an der Oberfläche an.

Nachdem die Demolierungsversuche keinerlei Erfolg zeigen, bleibt Lenari eine Weile vor der Säule stehen, ehe sie vorsichtig mit ihrer Hand an der Säule entlang streicht - diese erweist sich als unerwartet kühl, obwohl sich das Metall in der morgendlichen Wärme doch bereits aufwärmen sollte, auch spiegelt sich das Sonnenlicht nicht in der Oberfläche. Vergebens tritt Lenari ganz nahe an die Säule heran und sucht nach einer Naht, einer Fuge oder ähnlichem, wie sollte so ein großes Bauwerk auch aus einem einzigen Stück Metall bestehen ?

Erschrocken zuckt wendet Lenari zusammen, als sie so unvermutet angesprochen wird. Ein Krieger hätte vermutlich sofort eine Waffe gezogen oder wäre zumindest in Kampfstellung gegangen, die schlanke Brünette indes wendet sich lediglich hastig in Richtung der Stimme um und tritt einen Schritt zurück, so dass sie die Säule im Rücken hat. „Wer singt ? Und wieso nur nachts ? Und wer seid ihr denn ?“ findet sich der Unbekannte unvermutet einer Fragerunde ausgesetzt.

Der Fremde erinnert Lenari in Auftreten und Bekleidung an so manchen Bewohner in ihrer Heimat, mit dem es das Leben bislang nicht ganz so gut gemeint hat und der Trost im Rausch oder im Verkünden schlimmer Nachrichten sucht. „Der Yubi – das ist der komische Stein da ?“ meint sie und deutet dabei auf die schimmernde Säule. Die Skepsis über „singende Steine“ ist ihrer Miene anzusehen, auch wenn sie sich nicht dazu äußert.

„Ja ich bin erst ein paar Tage hier – mein Name ist Lenari.“ entgegnet sie Yresen nach ein paar Atemzügen, während sie den Mann beobachtet, der leichte Anzeichen von Verfolgungswahn zeigt. „Wohnst du hier irgendwo in der Nähe ?“ auch ihre Stimme senkt sich zu einem fast schon verschwörerischen Flüstern - entweder weil sie dem Fremden tatsächlich glaubt oder schlicht weil sie hofft, dadurch ein paar Informationen zu bekommen. „Wer sagt denn du wärst verrückt, wohnen hier noch mehr Leute ?“

„Halt jetzt warte doch mal !“ Yresen kann nicht einmal zwei Schritte tun, da steht Lenari schon daneben und bleibt entweder neben dem Mann stehen oder läuft neben ihm her, sollte er seinen Weg fortsetzen. „Ich verstehe nur nicht wie ein Stein singen kann.“ meint sie hastig. „Uns sonst hab ich auch keine Ahnung wovon du überhaupt redest, tut mit leid wenn ich dich schief angeschaut habe. Ich würde sehr gerne noch mehr von dem hören, was hier so los ist.“

„Aber da es nachts gefährlich ist draußen rumzulaufen, kann den ...Yubi auch niemand hören, weil sich keiner hintraut...nur du !?“ eine Antwort erwartet Lenari vergebens, da sich ihr Gesprächspartner bereits weiter geredet hat und sich flink aus dem Staub macht. Ohne großartig darüber nachzudenken, hastet sie dem Fremden hinterher – ob das eine gute Idee ist, manch einer würde das sicher verneinen. Andererseits scheinen die Chancen recht groß, endlich ein paar Antworten zu erhalten, sodass die Entscheidung letzten Endes einfach ist. Yresen weiß offenbar genau wo er hinwill und sucht sich zielstrebig seinen Weg, sodass die junge Frau voll und ganz damit beschäftigt ist, den Anschluss nicht zu verlieren und daher auch nicht weiter auf die Route achten kann. Zurück zu finden, dürfte wohl ein kompliziertes Unterfangen werden. Ab und an droht sie den Anschluss zu verlieren, so verliert die den Fremden denn auch aus den Augen und bleibt nach Luft schnappend erst einmal stehen. Leise vor sich hin fluchend, betrachtet sie das Chaos voller Steine vor sich und entdeckt erst auf den zweiten Blick die schmale Öffnung, durch die ihr neuer Bekannter höchstwahrscheinlich verschwunden ist. Das Ganze sieht nicht gerade vertrauenerweckend, aber doch einigermaßen stabil aus, so dass Lenari gleich darauf ebenfalls zwischen den Trümmern hindurchhuscht und gleich danach wieder stehenbleibt, um sich zu orientieren. „Yresen ? Bist du hier drin ?“ ruft sie mit gedämpfter Stimmer.

„Ja, ja ich bin hier drin, aber sei um Lijans Willen leise. Oder willst du alle Angma wecken?“: tönt es leise zurück. Furcht und Sorge schwingt in der gedämpften Stimme mit. Als Lenari durch die Öffnung schlüpft, muß sie ein paar Atemzüge lang warten, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht in dem teilweise eingestürzten Gewölbe gewöhnt haben, das nur durch einen Lichtstrahl beleuchtet wird, der durch ein Loch in der Decke fällt. „Kannst ruhig herunter kommen. Das Gewölbe ist stabil. Oben im Haus sieht es anders aus, aber hier unten ist es sicher.“: sagt Yresen, der sich im Dämmerlicht an einem Gegenstand zu schaffen macht. Es sind nur ein paar Schritte die Lenari über den Schutthaufen hinunter steigen muß, bis sie den Boden des Gewölbes unter ihren Füßen hat. Plötzlich flammt Licht auf. Es ist nicht sehr hell, aber es brennt ohne jedes Flackern! Yresen stellt die Lichtquelle auf den Boden und Lenari kann im ruhigen Schein der seltsamen Lampen ein bizzares Durcheinander aus Gerümpel, Gegenständen der Zweck sie nicht einmal erraten kann und teilweise stark beschädigten Kunstwerken erkennen. „Die Lampe war früher viel heller. Sie wird immer schwächer.“: sagt der Aschblonde entschuldigend, der hier unten deutlich weniger nervös und gehetzt wirkt. Aber als er sich halb umdreht und in den Lichtkegel der ungewöhnlichen Lampe gerät wirkt sein Gesicht durch die Beleuchtung von unten für einen Moment wie das Antlitz eines Dämons. Aber mit der nächsten Bewegung ist der Schreck verflogen. Fast verlegen sagt er mit einer entschuldigenden Geste: „Wir müssen uns auf den Boden setzen. Ich habe hier unten nie Besuch. Mir macht das nichts, aber du kannst auch stehen bleiben. Ich muß mich ein wenig hinsetzen. Weißt du, ich war die ganze Zeit auf den Beinen.“ Mit einem leisen Seufzen setzt er sich hin. „ Ich kann dir auch nichts anbieten, hier unten hebe ich nur die Sachen auf, die ich gesammelt habe. Die Stadt ist wie ein Strand nur das Meer ist die Zeit.“ Er kickert leise. „Und ich bin der der das Strandgut aufhebt. Aber sag, woher kommst du, kleine Blume?“: frägt er schüchtern und sieht sie aus seinen wasserhellen Augen erwartungsvoll an.

So laut war die Frage nun auch nicht gestellt worden, aber da der Mann sich offenbar verfolgt fühlt, behält Lenari eine entsprechende Bemerkung für sich und sucht sich einen sicheren Weg hinab. Der Durcheinander unter der Erde passt einerseits zu den verlassenen Gemäuern oben, andererseits stehen und liegen hier Gebilde herum, die nicht recht hierher zu passen scheinen. Ohne große Umstände setzt sich die junge Frau im Schneidersitz auf den Boden und betrachtet die Umordnung um sich herum. „Kannst du mit den Sachen auch etwas anfangen ?“ auf die Schnelle wirkt hier nichts so, als ob es besonders nützlich wäre. Ihr Blick bleibt letztlich an Yresen hängen. „Bin noch nicht so lange hier, wo auch immer das auch ist.“ meint sie mit einem Schulterzucken und lehnt sich mit dem Rücken an eine morsche Kiste. „Eigentlich komm ich aus der Allianz, aber plötzlich war ich...hier. Und die anderen sind auch auf einmal hiergewesen und keiner weiß was los ist, alle Bewohner hier sind komisch und...“ ins Plappern gekommen, verstummt die Dunkelhaarige. „Entschuldige, ich rede zuviel.“ meint sie mit leiserer Stimme, um nicht noch einen Anpfiff zu bekommen.

„Allianz?“: wiederholt Yresen fragend. „Nein, ich weiß nicht wo das ist. Ich weiß nicht einmal ob das ein Land oder ein Ort ist.“ Er senkt seine Stimme ein wenig: „Weißt du es stimmt etwas mit meinem Gedächtnis nicht. Deswegen sagen sie das ich verrückt bin. Aber ich bin nicht verrückt, ich kann mich nur nicht gut erinnern. Irgend etwas haben sie mit mir gemacht in den Eisenhallen, die Angma und ihre Diener. Manchmal….“ Er schaut Lenari gequält an. „Manchmal glaub ich fast das ich mich erinnere, aber dann ist es weg. Einfach weg. Verstehst du? Aber manchmal träume ich. Ja ich träume von Salzmarschen, einem Damm, glühender Hitze und dann….“ Er wirft beide Hände in die Luft. „Pffft, ist es fort.“ Fast erschrocken winkt er ab. „Rede nur, rede nur, kleine Blume. Ich hör dir gerne zu. Weißt du hier redet kaum jemand mit mir. Sie halten mich für...naja du weiß schon...“ Er unterbricht sich für einen Moment und versucht sich an Lenaris Frage zu erinnern. Dann nickt er eifrig. „Aber ja, aber nicht mit allem kann man was anfangen. Manches habe ich nur mitgenommen weil es mir gefällt. Ich verrate dir was. Die ganze Stadt ist unterminiert. In den Gängen und Kammern finde ich das Meiste. In den Häusern gibt’s nicht mehr viel.“ Er beginnt in einer seiner Gürteltaschen zu suchen. Dann sagt er erfreut: „Ah, das ist es ja.“ Er hält Lenari einen seltsam geformten Ohrring hin. Das Stück scheint aus einem einzigen Kristall gefertigt zu sein. „Schau, gefällt er dir?“: fragt er aufgeregt.

„Na das hab ich schon gemerkt – also das mit den Häusern meine ich. Da findet sich wirklich nicht mehr viel, ich hab schon nachgesehen. Aber vielleicht hast du da den einen oder anderen Tipp, wo ich noch etwas finden könnte – Klamotten und vielleicht ein paar Werkzeuge ?“ die schmale Kiste im Rücken knirscht ein wenig, als sie ihre Sitzposition verändert und sich nach vorne lehnt, um den Ohrring in die Hand zu nehmen und ihn aus der Nähe zu betrachten. „Der ist seltsam..hm...“ die dreht das Schmuckstück in den Händen. „Seltsam, aber schön – ich hab sowas noch nie gesehen, aber wertvoll siehts auch aus.“ nach kurzem Zögern reicht sie Yresen den kleinen Gegenstand zurück. „Zuhause würde ich jetzt versuchen den zu verkaufen – oder wenigstens in was Vernünftiges zu tauschen. Aber hier wird das wohl nicht klappen, was ?“ fragend schaut sie ihren Gesprächspartner an. Ob dieser nun leicht verrückt ist oder auch nicht, spielt keine große Rolle, scheint er sich hier doch ein wenig auszukennen. „Wie findest du dich in den Gängen zurecht ? Da kann man sich bestimmt total verlaufen.“