Forum Übersicht - RE: Wieder im Lantisgarten - 4

"Gern geschehen.": sagt Keresin in dem Augenblick, als die Serv aus den Lantisbüschen hervorkommt. Sie sieht aus wie eine der Dienerinnen, aber als sie ihn ansieht weiß der Vorovisaner, daß er keine Dienerin vor sich hat. Jegliche Unterwürfigkeit fehlt in ihrem Blick mit dem sie ihn ansieht bevor sie ihm die leisen Worte zuflüstert. Es sind die Worte, die er als Rekrut auf dem dunklen Vorschiff aus dem Munde seines Kommandeurs vernommen hatte, als sie um Haaresbreite den Eluriern entkommen waren, als sie nach der mißglückten Kommandoaktion im elurischen Dschungel fliehen mußten und er sich mit allem Respekt erkundigt hatte was nun bei ihrer Heimkehr mit ihnen geschehen würde. Detori Arana war dafür bekannt, Fehlschläge nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Er war schockiert gewesen, mit welcher Respektlosigkeit sich sein Kommandeur über den Reichsprovisor geäußert hatte. Aber sie waren alleine am Bug gestanden, niemand war in Hörweite gewesen! Nur Hel Nergal und er wußten was in diesem Moment gesagt worden war. Völlig verblüfft entfährt es ihm: "Was?" Nochmals, diesmal etwas lauter, wiederholt die Serv den kurzen Satz. Diesmal reagiert er sofort. Er weiß, daß die Anweisung aus dem Mund der scheinbaren Dienerin ein Befehl seines höchsten Vorgesetzten ist und führt ihn augenblicklich aus. Keresin dreht sich zu Lenari: "Entschuldigt, ich muß gehen. Wenn es euch recht ist, komme ich später nochmals vorbei." Mit ein paar Schritten ist er im Haus, kommt mit seinem Gepäck wieder heraus und folgt der Serv.

Kaum raschelt es in den Büschen, springt Lenari schon wieder auf und blickt die Fremde an, die gleich darauf zielstrebig zu Keresin hinübergeht. Dessen prompte Reaktion auf die geflüsterte Nachricht irritiert die junge Frau sichtlich – zur Erwiderung bleibt jedoch keine Zeit, da Keresin sich umgehend auf den Weg macht. Die Stirn gerunzelt, schaut Lenari zum Soldaten nach, der doch angeblich auch keine Informationen zu den seltsamen Vorgängen in der leeren Stadt hat. Die Zweifel daran steigen indes gewaltig – was für eine Nachricht hatte er erhalten ? Wieso folgte er so prompt und umstandslos einer Unbekannten ? Noch eine geraume Weile schaut sie den beiden nach, ehe sie nachdenklich zurück in die kleine Behausung läuft.

Nach Keresins recht überstürzten und auch etwas seltsam wirkenden Aufbruch stöbert Lenari in den nahe gelegenen Gebäuden nach einer Holzplatte, welche das Loch um Boden der kleinen Hütte abdecken soll. Letztlich hat sie Öffnung mit Hilfe der herausgebrochenen Klappe sowie ein paar Holzteilen so abgedeckt, dass es sich nur noch um eine Stolperfalle handelt, aber wenigstens keiner mehr hereinfällt. Ein paar größere Steine beschweren die Abdeckung, die mit nach oben gebrachte Leiter verstaut sie in einer Ecke des Raumes. Ein kurzer Abstecher zum Brunnen bringt willkommene, wenn auch nur kurzzeitige Abkühlung, ehe sich die junge Frau wieder in ihre kleine Behausung zurückzieht, kurzerhand in einen der mitgebrachten Kittel schlüpft und ihre eigene Kleidung im Garten zum Trocknen aufhängt.

Diese beschauliche, fast schon Biedermann-artig friedliche Szene, in der Lenari vor ihrem netten Häuschen in dem Lantis-geschmückten Garten ihre spärliche Kleidung zum Trocknen aufhängt, wird jäh unterbrochen. Plötzlich bricht nämlich eine weitere Person in den Garten, und würde jemand behaupten, sie müsse von irgendwem verfolgt werden, kaum jemand würde es komplett von der Hand weisen. Denn kaum hat sie den Garten betreten, so schnell steht sie auch schon neben der Allianzlerin. Doch nicht nur die Geschwindigkeit, in der dies geschieht, mag so gar nicht zu der Szene passen, vielmehr ist es das Aussehen der Person: In festen Stiefeln, einer engen, ledernen Hose und einer allzu zerrissenen, am Rücken praktisch komplett offenen, teils schmutz-, teils blutbefleckter Bluse gekleidet, einem Pfeilköcher am Oberschenkel, Köcher samt Bogen am Rücken, Kurzschwert und Asnivala am Waffengurt, das Gesicht schweißüberströmt, die Bluse nass an den Schultern klebend, könnte man die Erscheinung fast schon bedrohlich ansehen. Der drahtige Körperbau, die breiten Schultern mögen ebenfalls noch in die Kategorie "Bedrohlich" fallen, die geringe Körpergröße und insbesondere die offenherzigen, strahlenden blau-grünen Augen bilden dann doch einen gehörigen Kontrast dazu. Nun ist es freilich an Lenari, ob sie sich nun über den ungebetenen Besuch freut oder aber weniger, Angst wird sie natürlich keine haben. Sie kennt die Person seit ihrer Ankunft auf dieser Insel. Niemand anderes als Sundara Jahasi ist es, die - und so wird sie wenigstens weithin angesehen - elurische Kriegerin, die jedoch anscheinend mit den beiden vorivisischen Waffenträgern weit besser zu Rande kommt als diesselben untereinander. Nun sind die beiden, und man möge mir den Ausdruck verzeihen, kleiner Gewachsenen der Neuankömmlinge absolut grundverschieden, mögen auch in wenigen Aspekten einer Meinung sein, doch ist dies wenigstens bei Sundara nun kaum zu bemerken. Fröhlich strahlt Lenari das bemerkenswerte Blau-Grün von Sundaras Augen entgegen, umrahmt von im schweißnassen Gesicht klebenden Haarsträhnen, und die aus einem breiten Lächeln hervorstechenden schnee-weißen, regelmäßigen Zähne scheinen gar den Versuch zu wagen, mit den Augen um die Wette zu strahlen - ein Unterfangen, das freilich von Grund auf zum Scheitern verurteilt ist.

"Sichàra, Lenari," grüßt Sundara also freundlich und kommt auch gleich auf den Punkt. "Keresin hat gesagt, ihr hättet eine Tür gefunden? Kannst du mir die zeigen? Wir müssen Denen zuvorkommen..."

Die Hitze scheint wirklich nicht allen zu bekommen – anders ist der seltsame Auftritt Sundaras kaum zu erklären, die hier mal eben angerannt kommt und aussieht, als hätte sie im Dreck gespielt. Auch dass sie immer ein überdimensioniertes Waffenarsenal mit sich herumschleppt, wirkt doch eher irritierend denn sinnvoll. „Du solltest mal in den Schatten, ich glaub die Somme tut dir nicht so gut,“ kommt denn auch prompt zurück, als Sundara einfach mal so daher kommt und irgendwelche Fragen stellt, die fast schon Anweisungscharakter haben. Als sie dann auch noch Keresin erwähnt, verfinstert sich Lenaris Miene zusätzlich, schließlich ist dieser nicht allzu lange davor ebenso kurz angebunden davongeeilt.

Das Lächeln in Sundaras Gesicht verschwindet urplötzlich. Verblüfft und überrascht weiten sich ihre Augen, die Kinnlade fällt nach unten. Die mit der rechten Hand wischt sie sich einige im Gesicht klebende nasse Strähnen nach hinten. Nach und nach verschwindet der überraschte Ausdruck und macht einem Hauch, mehr nicht, an Verzweiflung Platz. So ziehen sich die Augenbrauen zusammen und nach oben, die Stirn kraust sich, die Zähne kauen auf der Unterlippe. Sundara schaut nach dem Haus, dann nach der Straße - wohl in Erwartung der beiden Vorovisen - dann wieder zurück zu der Allianzlerin.

"Lenari, bitte," sagt sie dann mit flehendem Unterton, "Lenari, es ist wichtig..."

Dann schaut sie Lenari an, intensiv, fast beschwörend, und wartet stumm auf Antwort.

Die junge Frau war wohl gerade auf dem Weg vom Garten zurück in die kleine Bude, als sie so plötzlichen Besuch bekommt, jedenfalls steht Lenari barfuß auf der Veranda vor der Eingangstüre. In den leichten hellen Kittel gewandet, die Hände in die Hüfte gestemmt, funkelt sie Sundara aus der leicht erhöhten Position heraus an. „Du kommst hier angerannt wie ein wild gewordenes Karkech und stellst Forderungen, weil du irgendwas wichtig findest. Vielleicht macht man das bei euch so, aber ich lasse mich hier nicht einfach so herumkommandieren.“

Unterwegs fragt sich Ira, was Keresin wollen könnte. Es beschäftigt sie, aber sie sagt nichts. Wenn Keresin darüber reden wollte, würde er den Mund aufmachen. Die Hitze ist eine Zumutung! Ihr Kittel ist durchgeschwitzt als sie ankommen. Der Geruch der Blüten ist betäubend stark. Die Zaunlatte keift von oben herab Sundara an. Die steht wieder da als hätte sie sich ins Kleid gemacht. Wär ihr nicht so entsetzlich heiß wär es vielleicht spaßig gewesen. So schaut Ira dazu in den Schatten zu kommen. „Heil Vorovis!“: sagt sie. So grüßt man in Vorovis. Ira denkt nicht daran was anderes zu sagen. Sie horcht nur mit einem Ohr zu. Ihre Gedanken kreisen wieder um die Heimat. Sie schaut kurz zu Kresin. Auch so ein beschissenes Rätsel, der Typ. So jung und Legat! Aber egal! Es war nur etwas wert wenn sie irgendwie zurück können. Ira wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Also was ist jetzt? Wollen wir uns in der Hitze rösten lassen oder schauen wir uns die verdammte Tür an?“: sagt sie verdrießlich.

Keresin weiß nicht ob es am fehlenden Wind oder an der Hitze liegt, aber er kann den Garten des kleinen Hauses riechen bevor er die Begrenzungsmauer auch nur sehen kann. Im Stillen ist er Ira dankbar, daß sie ihn auf dem Weg hierher nicht mit Fragen löchert. Er will in Ruhe mit ihr sprechen. Zwischen den Lantisbüschen, durch die sich der engew Weg schlängelt, wird der Duft der Lantis noch stärker. Als er mit Ira im Schlepptau um die Hausecke biegt, sieht er Lenari auf der Veranda stehen und hört noch den letzten Satz ihres Ausbruchs. Er beherrscht sich und statt der scharfen Worte, die ihm auf der Zunge liegen, sagt er nur: „Seid gegrüßt. Es tut mir leid, daß ich so schnell aufbrechen mußte. Glücklicherweise habe ich auf dem Weg zurück Sundara getroffen. Hat sich in der Zwischenzeit noch etwas ereignet?“: erkundigt er sich in einem neutralen Tonfall. Iras ungeduldige Worte lassen ihn verhalten Lächeln.

In der Tat schaut Sundara Lenari reichlich entgeistert an. Es entzieht sich vollends ihrer Vorstellung, wie eine freundlich ausgesprochene Frage als Kommando aufgefasst werden kann. Verzweifelt sucht sie nach einer Erwiderung, allein wollen ihr keine Worte einfallen. Und so schaut sie beinahe aus Roputanaugen auf die Allianzlerin, während ihre Zähne trotz des Nachdenkens ganz vergessen, dass es in unmittelbarer Nähe eine Unterlippe gibt, auf der man kauen könnte. Gott sei Dank kommen da auch schon Ira und Keresin, und das peinliche Schweigen wird durch Iras unwiderstehlichem Charme unterbrochen. Und nun, da war sich Sundara sicher, würde sie wohl von Keresin wahren Befehlston kennenlernen. Aber, was ist das? Beginnt Keresin nun gar, durch unsinnige Plaudereien noch mehr Zeit zu verlieren? In Gedanken sieht Sundara schon, wie sich die Hütertussi mit ihren komischen Wurfnetzen hinter der Tür in Position bringt. Und so schaut der Blick, den sie nun Keresin zuwirft, nicht weniger entgeistert aus, als der, den bis gerade eben Lenari auf die Stirn gepflastert hatte.

Und schon steht das dynamische Trio in der Hitze des Tages vor dem Haus und will herein – die eine mault herum, die andere verzieht die großen Augen und der Dritte plaudert wie bei einem Kaffeestündchen. Kurz wendet sich Lenari dem zuletzt angekommenen Keresin zu. „Ihr kennt euch hier angeblich genau so wenig aus wie wir und doch lasst ihr alles stehen und liegen, wenn so eine Dienerin vorbeikommt und euch was ins Ohr flüstert – wieso ? Ihr wisst wohl was das wir nicht wissen. Aber ist jetzt auch egal - ich hab das Loch erstmal wieder mit der Platte zugemacht, ein Ausflug am Tag reicht völllig. Die Räume sind morgen auch noch da.“

Jetzt reicht es Ira. Es ist ihr schnurzegal was sich Keresin ins Ohr flüstern läßt. Langsam stellt sie ihre Sachen auf den Boden. Dann geht sie auf die Veranda hinauf und baut sich vor Lenari auf. Sie überragt die Allianzlerin um ein gutes Stück. Dann legt sie in bester Garnisonsmanier los. „Horch zu Bohnenstange! Horch mir gut zu, denn ich sags dir nur einmal!“ Sie hält Lenari die zur Faust geballten Linke unter die Nase. „Zeig uns jetzt die beschissene Türe sonst trete ich dir so in deinen knochigen Hintern daß du die Zähne einzeln ausspuckst! Hast du mich verstanden, du tittenloses Gestell?“ Sundara mag sie. Deswegen hat sie sich bei ihr zurück gehalten. Bei Lenari trifft das nicht zu. Nicht ein bißchen. Außerdem ist es heiß. Das sorgt zusätzlich für schlechte Laune. Lenari muß schon sehr flink sein um dem kräftigen, ansatzlosen Stoß gegen ihre Brust auszuweichen. Wenn Ira trifft dann taumelt sie sicher zwei, drei Schritt ins Haus zurück. Die Vorovisianerin sieht nicht nur kräftig aus. Sie ist es auch.

„Was ich weiß oder nicht, geht euch gar nichts an.“: gibt Keresin kühl zurück. Er hat die Nase gestrichen voll von der präpotenten Art der Ketzerin. „Ihr könnt vielleicht warten, wir nicht. Also macht das Loch wieder auf, wenn ihr es zugedeckt habt. Oder ist es euch lieber….“ Mitten im Satz wird er von Ira unterbrochen, die auf die Veranda hinauf steigt und sich vor der Ketzerin aufbaut. Was er jetzt zu hören bekommt ist bester vorovisianischer Kasernenhofton und entlockt ihm ein Grinsen. Ira kann es, zumindest was den Tonfall betrifft, mit jedem altgedienten Ausbildner der Reichsarmee aufnehmen. Zunehmend amüsiert verfolgt er die kleine Szene auf der Veranda. Er reagiert auch nicht, als Ira handgreiflich wird. Es ist ihm schlicht und einfach gleichgültig ob Ira die Ketzerin zusammenschlägt oder nicht. Er hat gegen Ira gekämpft und weiß, daß sie gut ist. Er hat also nicht den geringsten Zweifel das sie mit der Allianzlerin nach Belieben umspringen kann. Er gönnt ihr den Spaß.

Keine Ahnung wieso Ira eine derart massive Aggression gegen Lenari entwickelt, hat sie mit dieser doch noch keine zwei Worte gewechselt. Eigentlich sollte man ja glauben, hier würden sich alle in derselben Position befinden – auf einer unbekannten Insel, fernab alles bisher Bekannten. Aber offenbar scheint dem nicht so zu sein, als Keresin sich auch noch auf die Seite Iras schlägt. Die junge Frau indes kommt gar nicht mehr dazu, verbal zu reagieren, als ihr Ira schon eine vor den Latz knallt. Völlig unvorbereitet kommt sie ins Straucheln und bleibt an einer Delle im Fußboden hängen , ehe sie mit dumpfen Knall im Rückwärtsfallen mit dem Kopf auf dem Boden aufschlägt und reglos liegenbleibt.

„Verfickte Scheiße!“

Es ist nicht geschrien, diese lange und eloquente Ansprache, die nun Sundara hält. Ob Ira die zwei Worte überhaupt hört, ist fraglich, bei Keresin wohl wahrscheinlich. Sundara schließt kurz die Augen, atmet tief durch. Sie öffnet die Augen wieder - und ist einen Augenblick später auch schon neben Ira, hebt das Bündel Allianzlerin auf und ist dann auch schon im Haus, wo sie sie auf den Tisch legt. Sie beugt sich tief über Lenaris Gesicht, kann den Atem der Frau an ihrer Wange spüren. Sie legt ihre Hand unter Lenaris Kopf und zieht sie wieder hervor. Es ist kein Blut zu sehen. Sundara atmet auf, sieht sich um. Sie sieht die Holzplatte, die Steine drauf. Und, in Erwartung dass die beiden Vorovisen ebenfalls ins Haus kommen, beginnt sie schon einmal damit, die Steine von der Platte zu räumen, in dem sie sie ganz einfach von der Platte kugelt.