Forum Übersicht - RE: Lantisgarten - 3

Die Menschenfrau war bei ihrem Weg durch den Garten auch nicht besonders leise. Sie wollte weder das Gespräch heimlich belauschen, noch sich an die beiden anschleichen. Dem Soldaten entgeht nicht die Asnivala, die in einer ledernen Scheide an einem Waffengurt um die Hüften Inaras hängt. Die Waffe ist eindeutig auf ihre Körpergröße angepasst. So wie sie sich mit dem Waffengurt bewegt, ist die Klinge vermutlich auch kein modisches Accessoire oder gar ein Gegenstand der irgendwo aufgelesen wurde. Doch ihre ganze Haltung hat nichts bedrohliches an sich.
Augen von der Farbe des Metchà an einem ruhigen, sonnigen Tag mustern das ungleiche Pärchen. "Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen. Ich bin Inara Saheras." stellt sie sich ebenfalls v or. Das offene, herzliche Lächeln, dass sie den beiden schenkt macht nicht den Eindruck als hätte sie irgendwelche Abneigungen gegen die Herkunft Keresins.
Ihr Blick wandert kurz zu dem schattigen Platz, den Lenari ihr angeboten hat. "Wenn ich Euch nicht störe, dann bleibe ich gerne. Ich gestehe, ich hatte gehofft jemanden zu treffen, der mir sagen kann wo ich mich befinde. Ich fürchte ich habe mich auf meiner Reise verirrt. Und ich bin froh auf ein wenig Gastfreundschaft zu treffen, selbst wenn es nur darum geht ein schattiges Plätzchen zu teilen, wenn ich bedenke, wie brüsk man auf Roalds Hof abgewiesen wird noch bevor man diesen überhaupt erreicht hat."

Leise lacht Keresin auf, doch es ist kein freudiges Lachen. „Das hofften wir auch.“: sagt Keresin und schüttelt leicht den Kopf. „Ich bin gestern morgen hier am Strand aufgewacht, nachdem ich mich in Esticha in meiner Herberge schlafen gelegt hatte. Dann mußte ich feststellen, daß diese vermeintlich Nacht Jahre gedauert hat. Ich kann euch leider auch nicht sagen wo wir sind, außer das ich der Überzeugung bin, das diese Küstenlinie mit den vorgelagerten Inseln auf keiner mir bekannten Seekarte eingezeichnet ist. Der Wirt der einzigen Schenke hier ist auch keine Hilfe. Er legte jedesmal wenn wir ihn über die Stadt gefragt haben, ein äußerst merkwürdiges Verhalten an den Tag. Entweder will er nichts sagen oder er kann es tatsächlich nicht.“ Er läßt eine einladende Geste folgen. „Ihr stört keineswegs, bitte setzt euch doch.“ Die Erwähnung von Roalds Hof läßt ihn wieder zu Inara hochsehen. „Der Wirt hat etwas davon gesagt, daß dieser Roald etwas gegen Fremde hat, wenn ich mich recht erinnere. Was ist denn geschehen?“: erkundigt sich Keresin.

Inara folgt der Geste und setzt sich zu Keresin und Lenari in den Schatten. Trotz der hochwertigen Kleidung scheint es ihr nichts auszumachen auf dem Boden zu sitzen. "Nachdem ich heute morgen am Strand erwachte und ich einen erfolglosen Marsch entlang der Küste zurückgelegt hatte ohne auf Zivilisation zu treffen, entschied ich mich es querfeldein durch den Dschungel zu versuchen. Ich stieß auf ein Vacantafeld und von dort auf die Überreste einer sehr alten Straße. Dort traf ich auf einen jungen Schreiner aus Estichà. Zusammen folgten wir der Straße in die einzig sinnvolle Richtung und nach einer Hügelkuppe konnten wir in der Ferne schon einen recht großen Hof mit mehreren Gebäuden ausmachen. Die Felder, die dieser Hof bewirtschaftet umfassen ganz sicher mehrer Kellipet und sie bauen alles möglich an und halten Vieh. Zwar konnte ich keine Feldarbeiter ausmachen, doch wir wurden offensichtlich trotzdem bemerkt. Noch bevor man zum Hof selbst gelangt gibt es ein Tor auf der Straße, das in seiner Bauart an Chian erinnert. Zur Abschreckung haben sie an diesem Tor Echsenschädel aufgehängt und leider auch die verwesenden Überreste eines Menschen."

Inara hält kurz in ihrer Unterhaltung inne. Gerade das letzte Detail scheint sie unglaublich wütend zu machen. Werden die Körper der Toten nicht verbrannt, so könne sie von bösen Geistern besessen werden. Ein Bestattungsritus, der sich sowohl im Neuen, als auch im Alten Kult finden dürfte. Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen, die mehr Ammenmärchen sind als alles andere, ist das Quäntchen Wahrheit hierbei ein bisschen größer. Und mindestens jene, die die Angriffe der Sragon miterlebt haben, können davon berichten gesehen zu haben wie tote Kameraden plötzlich wieder aufstanden und sich auf die Seite der Feinde schlugen.

"An diesem Tor stoppten und fünf Männer und eine Frau. Einer hielt eine kampf- oder zumindest jagdbereite Echse an einer Leine. Drei andere zielten mit Atevas auf uns. Und ein bärtiger Riese - ihr Wortführer - wies uns an nicht weiter zu gehen und umzukehren. Sie hätten keinen Platz für Diebe und Marodeure. Wir sollten uns auch in Zukunft von Roalds Land fernhalten, sonst wäre an besagtem Tor noch Platz für uns." Inara sieht von einem zum anderen, wohl um in ihren Gesichtern zu lesen, was sie wohl von diesem Erlebnis halten mögen.

"Wir sind zurück in die Stadt gegangen und ursprünglich wollte ich zu dem nicht sehr gesprächigen Wirt, aber dann hörte ich Eure Stimmen und bin ihnen in diesen Garten gefolgt." Sie lächelt ein viel sagendes Lächeln, denn tatsächlich ist die Stadt ja leerer als jede weitläufige Handelsstraße in der Allianz.

Dann wird Inaras Blick ernst. "Und Eure Geschichte klingt ähnlich abenteuerlich, wie die des jungen Schreiners oder wie mein eigenes Erlebnis. Denn ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich an diesen Strand gekommen bin. Und das letzte an das ich mich erinnere ist, dass ich am Hafen von Metchiya ein Schiff in Richtung Ashrabad verabschiedet habe. Das war am 20. Mivos 234. Die Stadt wurde evakuiert und ich wollte am nächsten morgen wie alle anderen nach Estichà aufbrechen. Und wenn stimmt, was der junge Schreiner gesagt hat, dann ist heute vermutlich nicht der 21. Mivos 234. Was mich zu der Frage führt, welchen Tag wir wohl haben."

„Schön euch kennenzulernen, ich bin Lenari,“ erwidert die Brünette mit einem Lächeln, ehe sie gespannt zuhört, was Inara von Roalds Hof zu berichten hat. Sorge zeigt sich auf ihren Gesichtszügen, als die Frau ihre Erlebnisse schildert. „Echt hier haben anscheinend alle Einheimischen nen Schaden,“ meint sie mit einem Kopfschütteln. „Ich hoffe da ist nichts im Wasser.“ skeptisch betrachtet sie die Wasserkelle, ehe sie mit einem Achselzucken doch noch einen Schluck nimmt. „Naja, falls doch isses eh schon zu spät. Dank euch wissen wir jetzt wenigstens, dass sich der Weg auf den Hof anscheinend nicht lohnt, das ist doch schon mal was. Was den Wirt angeht, so hat Keresin mehr mit ihm geredet – ich bin schnell wieder gegangen, der war mir nicht geheuer. Und die Schmiedin....“ sie zuckt mit den Schultern. „Ist schroff und redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Und sie trinkt zuviel...aber ich glaub sie hat einfach Angst vor irgendwas, sie nennt die Dinger Geisterlichter. Muss irgendwas in der Nacht sein.“ in Lenaris Stimme schwingen zu gleichen Teilen Skepsis und Sorge mit. „Deshalb hab ich beschlossen, mich wenigstens heute nacht mal hier einzurichten – wenn ihr bleiben wollt.“

"Das ist sehr freundlich von Euch. Vemec." entgegnet Inara. "Tatsächlich hatte ich mir bisher keine genauen Gedanken darüber gemacht, wo ich hier unterkommen könnte und wie es genau weiter geht. In der Allianz gibt es für Mittellose immer die Möglichkeit gegen ein bisschen tatkräftige Unterstützung in einem Mayevatempel unter zu kommen. Und auch wenn ich längst angenommen habe, dass ich mich außerhalb der bekannten Welt befinde, so hatte ich nicht mit so viel Verfall und vor allem so wenig Einwohnern gerechnet. Und dabei habe ich nur ein paar Straßen der Stadt gesehen. Ist der Rest genauso verlasssen?" fragt sie nachdenklich. "Gibt es einen Marktplatz? Ein Rathaus oder irgendwelche Tempel? Was ist mit einem Hafen?" Die Fragen sprudeln nur so aus ihr heraus und man kann Inara förmlich ansehen, wie sich weitere Fragen in ihrem Kopf bilden, die sie noch zurück hält.

"Tja glaubt mir Fragen gibts es hier um einiges mehr als Antworten, würd ich sagen. Und wir sind auch erst einen Tag hier, daher kann ich keine einzige davon beantworten." erwidert Lenari mit einem Schulterzucken. "Ich hab bis mehr unwissende Leute wie mich und euch als Einwohner getroffen. Nen Tempel oder so hab ich noch keinen gesehen, einen Hafen wirds wohl geben. Und eben ein Gasthaus werdet ihr auch finden, alles andere wird sich hoffentlich in nächster Zeit ergeben." besonders abenteuerfreudig wirkt die junge Frau für den Moment nicht gerade - aber nach einem Tag Aufenthalt lässt sich auch schwerlich eine ganze Stadt erforschen. "Ich für meinen Teil werd mich erst einmal darum kümmern, dass ich was zu Essen hab, nen Schlafplatz und vielleicht was Neues zum Anziehen, der Rest wird sich weisen." ein ziemlich nüchterner, pragmatischer Ansatz, der die globaleren Themen vorerst außer Acht lässt. "Zwei der Fremden, die auch gestern hier angekommen sind, sind gerade auch noch auf dem Weg zum Hof, von dem ihr gekommen seid. Sie wollen nachher auch noch hier vorbeikommen, vielleicht haben sie noch etwas herausgefunden."

Ein leichtes Schmunzeln zeigt sich einen Moment auf Keresins Gesicht als Inara von ihren Erlebnissen an dem Tor zu Roalds Hof erzählt. „Ich würde sagen das war recht eindeutig von diesen Burschen. Interessant ist nur die Wortwahl. Was und wen könnte der Mann wohl mit den Marodeuren gemeint haben? Wir haben bist jetzt nicht mehr als drei Leute getroffen, die von hier sind. Selbst wenn man den Umstand einbezieht, daß wir noch nicht allzuviel von der Stadt gesehen haben, sieht es hier nicht so aus, als ob sich Horden von Plünderern herumtreiben würden.“ Dann wendet er sich an Lenari. „Ich glaube nicht, daß es irgendwas mit dem Wasser oder sonstigen Einflüssen zu tun hat. Der Wirt hat eindeutig Angst und das ist meiner Meinung nach nicht gespielt. Das erklärt zugegebener Maßen nicht sein erratisches Verhalten, wenn man ihn nach der Lage der Stadt frägt. Ira...“ Für einen Moment zeigt sich Bitterkeit und Zorn auf seinem Gesicht. „Ira hat diese Verhalten recht zutreffend als Besessenheit bezeichnet. Es sieht genauso aus als würde in diesen Momenten etwas von ihm Besitz ergreifen. Der Vorgang hat etwas Erschreckendes an sich. Ansonsten ist der Mann durchaus hilfsbereit und antwortet auch auf Fragen recht umfassend. Diese Geisterlichter hat er auch erwähnt und hat sie den Yurei zugeschrieben. Was oder wer das sein soll hat er aber nicht erwähnt. Aber das er davor Angst hat, war deutlich zu merken. Wenn auch diese Schmiedin davor Angst hat, dann sollten wir die Warnungen nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ Kersin verlagert sichtlich vorsichtig sein Gewicht, streckt einen Fuß aus und dreht sich wieder zu Inara. „Um auf euere Frage zurück zu kommen. Ich kann euch nicht sagen welches Datum wir haben, aber mit großer Wahrscheinlichkeit schreiben wir das Jahr 242 oder vielleicht 241. Aber sicher nicht früher.“

"Das ist unmöglich." erwidert Inara ungläubig und schneller, als sie darüber nachdenken könnte. Ihre Gesichtszüge werden nachdenklich, doch sie scheint dieses Problem erst einmal zur Seite zu schieben und mustert Keresin und vor allem seine Haltung aufmerksam. "Ihr seid verletzt." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. "Könnt Ihr damit kämpfen, sollten diese Geisterlichter etwas reales sein, das uns angreift?" scheinbar ist in der Menschenfrau aus der Allianz auch eine pragmatische Seite erwacht. "Weglaufen ist keine Option, wenn man nicht weiß wohin. Ich bleibe also gerne, wenn ich darf. Und vielleicht können wir zusammen herausfinden, was hier vor sich geht, wie wir hier hin gekommen sind und, wenn Ihr es ebenfalls wollt, versuchen von hier wieder wegzukommen. Bis dahin müsste wohl Nahrung unser vordergründiges Problem sein, wenn ich Euch richtig verstehe Lenari. Roalds Hof dürfte dabei keine große Hilfe sein. Also blieben noch ein eventueller Markt und der Hafen. Immer vorausgesetzt die drei Bewohner, die Ihr getroffen habt sind nicht die einzigen. Und wenn doch würde ich versuchen uns für heute Abend ein paar Fische zu fangen." schlägt sie vor.

Keresins Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig, als Inara von Weglaufen spricht. Ein grimmiges Funkeln ist in seinen Augen und auch sein Stimme klingt anders als vorher, kalt und schneiden, als er mit einiger Schäfe entgegnet: "Ich bin Offizier der Reichsarmee! Kein Angehöriger der Reichsarmee läuft davon! Niemals und unter keinen Umständen! Habe ich mich klar genug ausgedrückt?" Vorsichtig erhebt er sich. "Ja ich habe eine unbedeutende Verletzung. Aber die wird mich nicht daran hindern zu kämpfen wenn es sein muß und jetzt entschuldigt mich." Keresin deutet eine äußerst knappe Verbeugung an. Der Zorn über die Zumutung ist ihm immer noch ins Gesicht geschrieben, als er sich an Lenari wendet. "Vielen Dank für das Essen. Ich darf mich bei euch revanchieren, sobald ich genug Muscheln oder etwas Anderes gefunden habe. Ich weiß ja wo ich euch finde. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag." Sein Lächeln ist wieder freundlich, als er sich von Lenari verabschiedet und sich anschickt den Lantisgarten zu verlassen.

"War ja nicht viel das sich euch anbieten konnte, aber gerne." Von Keresins unerwartet plötzlichem Aufbruch überrumpelt, blickt Lenari überrascht auf. "Nun einander zu finden, dürfte hier nicht allzu schwer sein, im Zweifel würde wahrscheinlich schon lautes Gebrüll ausreichen." fügt sie mit einem halben Lachen hinzu, während sie dem Soldaten zuwinkt und keine Anstalten macht, ihn aufhalten zu wollen. Den Kopf schief gelegt, verfolgt sie seinen Weg zurück auf die Straße, ehe sie sich Inara zuwendet. "Da habt ihr wohl einen wunden Punkt erwischt." stellt sie nüchtern fest.

Sundara schlendert durch die Straßen der Stadt. Die explodierte Libelle geht ihr nicht aus dem Kopf, obwohl Sundara eigentlich gar nicht weiß, was eine Explosion überhaupt ist - ein Phänomen, das wohl nur für einige ausgewählte Arivari erklärbar ist. Doch wie sie so in Gedanken durch die Straßen geht, nimmt sie plötzlich Stimmen wahr. Einige 100 Vat vor ihr überquert schließlich Keresin die Straße. Er bemerkt sie nicht, und sie tut auch nichts, um sich bemerkbar zu machen. Es ist noch zu früh, mit ihm zu sprechen. Es ist alles noch zu frisch, sie würde die Situation wohl nur schlimmer machen. Und so geht sie einen Schritt zur Seite, so dass sie von einem Baum verdeckt wird. Bald ist er außer Sichtweite, sie setzt ihren Weg fort. Dann biegt sie ab, in die Richtung, aus der die Stimmen gekommen sind. Dann betritt sie langsam den Lantisgarten, bleibt jedoch an dem Rande stehen.

"Sichàra," grüßt sie freundlich. Sundara ist eine hübsche Frau, vielleicht etwas zu klein, etwas zu breite Schultern, doch ein adrettes, von schwarzem Haar umrahmtes Gesicht mit auffallenden blau-grünen Augen machen diese Makel mehr als wett. Sie trägt immer noch ihre enge Lederhose, die festen Stiefel, das arg ramponierte Hemd sowie ihr Waffenarsenal. Der Bogenköcher ist mit Stöcken gut gefüllt, über der Schulter baumelt ein Schnabelvieh. Sie geht nicht weiter, wohl darauf wartend, beachtet oder gar eingeladen zu werden.

Kaum ist der eine weg, kommt der nächste Besucher in den Garten. Im Garten entdeckt Sundara zwei Frauen an einem bröckelnden Brunnen, eine davon erkennt sie als die junge Frau aus der Allianz wieder, der sie am Vortag eine reingehauen hat. "Ich hab den Garten zuerst gesehen ist meiner - und zum Wirtshaus gehts da lang." deutet sie mit dem Arm in die ungefähre Richtung. Das Grinsen in ihrem Gesicht sowie der amüsierte Tonfall verraten Sundara problemlos, das die Brünette nur Spaß macht. "Wart ihr auf der Jagd ?"

Sundaras Gesicht verzieht sich zu einem breiten Lächeln, ihre Augen funkeln belustigt zu Lenari. Sie geht jedoch auf ihre scherzhafte Bemerkung nicht ein, ein kurzes Lachen ist der einzige Kommentar dazu. Sie antwortet auf Lenaris Frage, ohne sich jedoch den beiden weiter zu nähern.

„Eigentlich wollte ich nur Holz sammeln für Pfeile,“ meint sie, „doch dann ist mir der dazwischen gekommen.“

Sie präsentiert das Schnabelvieh wie eine Trophäe.

„Vielleicht kann ich es ja gegen irgendetwas eintauschen im Silberkrug. Und die Federn eignen sich sehr gut für Pfeile.“

Dann jedoch verdunkelt sich ihr Blick, und sie fügt überaus ernst hinzu: „Irgendetwas auf dieser Insel ist verdammt faul. Irgendetwas ist hier überhaupt nicht so, wie es aussieht. Wir sollten vorsichtig sein.“

Sie lässt das Schnabelvieh sinken. Der Kopf berührt den Boden. Sundara scheint nun etwas verstört zu sein.

„Oh was zu Essen – ich war noch nie jagen da hab ich keine Ahnung, wie das geht. Und ihr könnt fischen, könnt ihr auch schwimmen ? Oder mit einem Boot umgehen ?“ wendet sie sich Inara, die daneben im Schatten sitzt. „Ich kanns nur kochen, aber beim Wirt ist es sicher schmackhafter.“ meint sie gleich darauf mit einem Blick auf das erlegte Federvieh, ehe ihr Blick nach oben wandert und Sundaras Blick sucht, als diese ernster wird. „Dass hier was faul ist ? Klar isses das – keiner von uns hält es wohl für normal, morgens irgendwo aufzuwachen und keine Ahnung zu haben, was eigentlich los ist.“

Sie lehnt sich ein wenig zurück und deutet auf den Garten. „Hier ist alles verfallen, die Einwohner – sofern ich bisher welche gesehen habe – scheinen zuviel in der Sonne gesessen zu sein oder haben komische Zahlennamen. Sogar die Tiere scheinen nicht das zu sein, was ich kenne. Aber wir sind ja erst den zweiten Tag hier, sicher können wir das alles mit der Zeit aufklären.“

Inara erhebt sich ebenfalls und ist dabei deutlich beweglicher als Keresin. „Meine Worte waren keine Unterstellung. Ich hatte nicht angenommen, dass ein Vorovisianer sich so verhalten würde. Nicht Ihr und auch kein anderer. Wohl aber, dass ein taktischer Rückzug einem Soldaten nicht fremd wäre.“ Ihre Erwiderung ist energisch, aber nicht so scharf wie die Worte des Vorovisianers. „Umgangssprachlich würde man das wohl weglaufen nennen.“ fährt sie sanfter fort und macht ihm Platz, so dass er den Garten verlassen kann, wenn er es unbedingt will. „Und da Ihr mich offensichtlich falsch verstehen wollt, solltet Ihr vielleicht darüber nachdenken, dass nicht jeder, der nicht in Vobra geboren ist, automatisch auch etwas gegen Vorovisianer hat und sie versucht zu beleidigen.“ Es sind nicht dieselben Worte, doch ihr Inhalt könnte Keresin an eine andere Menschenfrau aus der Allianz erinnern. Eine Frau, deren akzentuiertes Chirjeya ähnlich klang. Eine Frau, die ihm am falschen Ort zur falschen Zeit begegnet ist.

Die Menschenfrau hier an diesem seltsamen Ort, an dem sie gestrandet sind, in ihren blau-türkisen Gewändern und mit den zu Ketten aufgereihten Muscheln, diese Frau wird keinen ernsthaften Versuch unternehmen ihn vom Gehen abzuhalten. Sie beide sind Fremde und der ungezwungene Augenblick des Kennenlernens ist nur eine winzige Momentaufnahme in einem Garten voller roter und weißer Lantis.

„Vermutlich einen sehr wunden.“ erwidert Inara auf Lenaris Worte nachdenklich, während sie sich wieder in den Schatten zu ihr setzt. Sie sieht noch ein, zwei Augenblicke in die Richtung in der Keresin verschwunden ist. Dann wenden sich die dunkelblauen Augen wieder ihrer Landsfrau zu und sie setzt schon zu einer Frage an, als Sundara, ähnlich wie sie selbst zuvor, in den Garten kommt.

„Sichàra.“ begrüßt sie die ihr fremde Frau und lauscht dem Wortwechsel der beiden anderen. Erst als sie angesprochen wird, bringt sie sich selbst ins Gespräch ein. „Ja, ich kann fischen. Und ich kann auch schwimmen. Ich fürchte allerdings, dass wir zumindest nach Süden hin zu weit von der nächsten größeren Landmasse entfernt sind, als dass wir versuchen sollten dorthin zu schwimmen.“ Ein Schmunzeln huscht über ihre Gesichtszüge, bevor sie wieder ernst wird. „Ein Boot ist sicher eine Option, wenn es hier denn welche gibt. Deswegen fragte ich unter anderem nach einem Hafen. Ich habe zuletzt als Navigatorin auf einer Handelsroute von Metija nach Metchiya gearbeitet. Um eine ungefähre Ahnung davon zu bekommen wo wir uns befinden, müsste ich ein paar Tage und Nächte abwarten, um den Verlauf von Soa und Monden zu studieren.“ Falls sie noch etwas sagen wollte, kommt ihr das laute Knurren ihres Magens zuvor. „Entschuldigt. Ich hatte seit meinem Erwachen heute morgen an diesem seltsamen Ort nur ein paar Stücke Trockenfleisch. Und dieses Gerede über Essen und die Vorstellung von gekochtem Schnabelvieh lassen mir sprichwörtlich das Wasser im Mund zusammen laufen.“ gibt sie peinlich berührt zu und legt dabei eine Hand auf ihre knurrenden Bauch, als könne sie ihn so beruhigen und zum schwiegen bringen.