Forum Übersicht - RE: Nachtlager - 3

Keresin schüttelt leicht den Kopf. „Ich habe nicht gesagt, daß es mir zu gefährlich ist. Ich habe gesagt, daß es dumm ist, sich blindlings in eine mögliche Konfrontation zu stürzen ohne die geringsten Kenntnisse über die Lage und den eventuellen Feind zu haben. Nicht umsonst heißt es die größte Verwundbarkeit ist die Unwissenheit. Als Soldat lebt man mit dem Tod, aber das heißt noch lange nicht, daß man sein Leben blindlings fortwerfen soll. Zumindest ich sehe das so.“: sagt Keresin und sucht wieder den Blickkontakt. „Auch ich bin der Meinung, daß es in der jetzigen Situation vernünftiger ist, die Kräfte zu bündeln. Außerdem bin ich euch zu Dank verpflichtet, doch mißversteht mich nicht, ich bin und bleibe Vorovisianer.“
Als sei damit alles erklärt, wechselt er das Thema. „Nein, ihr bildet euch nichts ein. Diese..wie soll ich sagen...Verwandlung des Wirten als wir ihn nach der Stadt gefragt haben, war bemerkenswert. Ira hat es treffend ausgedrückt, als sei er besessen. Ich bin schon gespannt, wie die anderen Bewohner reagieren. Wenn nur der Wirt sich so aufführt, dann hat er vermutlich wirklich einen Dachschaden.“ Er lacht leise bei den letzten Worten der Elurierin, die sich wieder zu ihm setzt.
„Wollen wir es hoffen. Denn wenn wir zwei Asnivalas und deine Pfeile abarbeiten müssen, sitzen wir vermutlich eine halbe Ewigkeit hier fest.“

Sundaras Augenbrauen heben sich, ihre Augen werden noch größer, der Mund zieht sich etwas zusammen. Ihr Oberkörper geht nun zu Keresin hin, so weit, als dass seine Augen wohl nur noch die blau-grünen Seelenspiegel seines Gegenübers erkennen können, ohne ihren Fokus nach oben oder unten zu verändern. Insgesamt nimmt ihre Mimik einen sarkastischen Unterton an.

"Du bist Vorovisianer, was du nicht sagst," antwortet sie ihm nun reichlich süffisant. "Das wäre ich nie draufgekommen... Aber, sei einmal ehrlich, in welcher Richtung liegt Vorovis?"

Sie macht nun eine Pause, sieht ihn aus dieser sehr geringen Entfernung einfach nur an, ohne irgendwelche Miene zu verziehen. "Bevor wir nicht einmal das wissen," fährt sie nun fort, "sollten wir doch solche Kleinigkeiten bei Seite lassen. Wenn wir dann irgendwann in Vorovis sind, kannst du immer noch entscheiden, ob du mich Spießrutenlaufen lassen willst, auf den nächstbesten Pfahl setzen oder aber mit einem dicken Kuss nach Elurien schicken. WENN wir irgendwann wieder nach Vorovis, Estichà oder wo auch immer in der uns bekannten Welt wieder zurückkehren. Denn, um auf deine vorige Frage zurückzukommen: Ich habe keine Ahnung, ob eine Rückkehr irgendwie möglich ist. Aber ich glaube daran, bis mir das Gegenteil bewiesen wird."

Ihr Oberkörper entfernt sich nun wieder von ihrem Sitznachbarn, sie lässt den Blick erneut über den Garten gleiten, bevor sie ihn wieder anblickt, dieses Mal ohne diesen sarkastischen Unterton.

"Es tut übrigens nichts zur Sache, ob du nun Angst davon hast, es für unsinnig hältst oder aber ansonsten einfach nur dagegen bist," meint sie dazu. "Wenn wir nicht alle für etwas sind, sollten wir es einfach sein lassen. Es gibt genügend Möglichkeiten, sich die Köpfe einzuschlagen, wir sollten nicht jeden noch so kleinen Anflug einer solchen dazu ausnutzen. Also, von mir wirst du in dieser Richtung nichts mehr hören. Es sei denn, Ira will es auch ausprobieren... Dann sollten wir noch einmal darüber reden."

Ihre Füße gehen nun ebenfalls auf das Geländer, dafür lässt sie sich mit dem Oberkörper gegen den Boden fallen. Mit den Armen fängt sie sich ab und beginnt nun, einige Liegestütze zu machen. Freilich ist es bei all diesen Übungen nicht gerade von Nachteil, klein und insofern auch leicht zu sein, und doch scheint die Fitness der Sundara über dem Durchschnitt eines normalen Röhrenbewohners zu liegen. Als sie jedoch doch mit ihren Liegestützen aufhört, so haben sich trotzdem auf ihrer Stirn einige Schweißtropfen gebildet. Sie setzt sich nun vor dem Geländer auf den Boden, das Gesicht Keresin zugewandt und sieht ihn an, nur kurz, bevor sie unvermittelt in den Handstand geht, schließlich die Beine über das Geländer legt, mit den Füßen die Längsstreben umfasst und sich so wieder auf das Geländer zurückzieht.

"Und du bist also kurz vor der Schlacht... wie soll ich sagen... weggetreten? Was ist eigentlich das letzte, woran du dich erinnern kannst?" nimmt sie nun einen mehr als abrupten Themenwechsel vor. "Ich meine, du kannst ja nicht gut irgendwo gewesen sein - ist es möglich, dass einfach nur in deiner Erinnerung ganze Stürme fehlen?"

Ruhig und gelassen erwidert Keresin den Blick Sundaras, dann lächelt er versonnen. „Die Frage ist sehr einfach zu beantworten. Hier ist Vorovis.“: sagt er und tippt sich auf die Brust. „Abgesehen davon das es für mich keine Kleinigkeit ist, hast du mich falsch verstanden.“ Das er Sundara nun mit Du anspricht scheint ihm gar nicht aufzufallen. „Ich will dich weder Spießrutenlaufen lassen noch dich pfählen. Das ist keine persönliche Sache sondern eine Prinzipielle. Ich hatte die Gelegenheit Elurien kennen zu lernen und ich sage dir ehrlich ich bin lieber hier als in Esticha oder sonst wo in Elurien. Aber ich bin kein engstirniger, beschränkter Barbar, ich kann sehr wohl zwischen deiner Heimat und dir als Person unterscheiden. Selbst wenn wir enge Freunde wären, änderte das aber nichts an der Tatsache, daß ich deine Heimat in fast allen Aspekten ablehne. Das wollte ich mit meiner Bemerkung ausdrücken. Habe ich mich jetzt verständlicher ausgedrückt?“: sagt Keresin ruhig. „Es tut etwas zur Sache ob ich Angst habe oder ich es aus guten Gründen ablehne. Angst beeinträchtigt das Urteilsvermögen. Auch wenn Ira dafür wäre, sich die Umstände aber nicht geändert hätten, wäre ich dagegen.“ Er sieht still der neuerlichen Trainingseinlage der Elurierin zu. Dann schüttelt er leicht den Kopf. „Nein, ich bin nicht weggetreten. Ich kann mich ganz genau an den Tagesablauf erinnern. Ich war im Quartier der Vertreterin des yedeitischen Königs und habe die Erlaubnis erhalten, mich als Freiwilliger einem yeditischen Verband anzuschließen. Anschließend habe ich bei jemand der mir nahe stand verabschiedet. Es war schon Nacht als ich in mein Quartier zurückkehrte. Die Herberge hieß „Zum Meerdrachen“. Ich weiß noch genau, daß ich mein Zimmer betrat und mich nach einer Weile niederlegte. Dann bin ich hier in einer Ruine am Strand aufgewacht. Das ich vielleicht meine Erinnerung verloren habe, daran habe ich auch schon gedacht. Nur das erklärt nicht, daß meine Narben verschwunden sind. “

Sundara sitzt nun so auf dem Geländer, dass ihre Füße aussen, ihr Hinterteil jedoch in Richtung des Hauses schaut. Es ist also nur eine leichte Drehung des Kopfes notwendig, um Keresin in die Augen zu schauen. Und das tut sie auch wieder einmal, wobei die Verschmitztheit in ihrem Blick wohl etwas irritierend wirken könnte. Freilich ist da immer noch das bemerkenswerte Strahlen, das irgendwie jeden in den Bann zieht, egal, ob er Sundara als solches nun hübsch findet oder auch nicht.

"Heimat," sagt sie dann, "ich meine, was ist Heimat? So lange ich weiß, war ich mal hier und mal da. Manchmal habe ich mir das tägliche Brot verdient, oft nicht einmal das. Manchmal habe ich jeden Abend Schläge bekommen, manchmal musste ich abhauen, weil mein Meister meinen Arsch besser fand als meine Arbeit. Naja, irgendwann bin ich dann halt in Estichà gelandet, halb verhungert, komplett abgerissen. Und wie ich da in einen auf dem Boden liegenden Apfel gebissen hatte, war halt schon die Stadtwache da. Ich weiß nicht, ob ich jetzt eine Zeit im Turm erwarten hätte müssen, ein Auspeitschen, ein Hand Abhacken oder was weiß ich. Irgendwann war die Jahajas vor mir, hat mich ganz lange angesehen und hat mich in die Stadtwache aufgenommen. So bin ich Elurierin geworden. Ob ich es nun bin oder nicht, das wissen die Götter, ich jedenfalls nicht. Hier drin," und sie klopft sich nun selbst auf die Brust, "ist weder Elurien noch Yedea noch Vorovis, schon gar nicht die Allianz oder die Westwildnis, hier drin ist Sundara. Hier drin sind alle, die nett zu mir waren, und hier drin sind alle, die es nicht waren. Du bist also auch hier drin, und ich kann mir gut vorstellen, dass ich dich zu ersterer Gruppe zählen kann."

Ihre Augenlider zucken ganz kurz zusammen, einen kurzen Augenblick geht geradezu ein Funkeln durch ihre Augen und ihre Lippen formen ein leichtes, doch authentisches Lächeln. Jeder etwas labile Mann würde sie nun wohl in den Arm schließen müssen, ein altgestandener vorovisischer Krieger freilich nicht - oder doch? Jedenfalls ist das Funkeln schnell wieder weg, und Sundara fährt auch schon mit dem Reden fort.

"Was die Angst angeht, so ist das freilich für dich absolut nicht einerlei. Für mich ist es so, dass wir zu dritt sind, wenn zwei für etwas sind, dann sollte es getan werden. Oder aber der dritte hat so gute Argumente, dass sich einer der beiden ersteren überzeugen lässt, doch dagegen zu sein. Was jetzt die Nacht betrifft, so kann ich deinen Einwand nachvollziehen, deine Ablehung geht für mich in Ordnung. Würdest du jetzt sagen, der Wirt will nicht mehr als zwei Jhane von diesem Kaff weg, weil die Karte fehlt, und du würdest es auch nicht wollen, da würde ich doch eine Diskussion anstrengen. Ich würde Ira und dich nicht allein lassen, aber freilich wäre es mir lieber, aufzubrechen, um wieder zurück zu kommen. Und, ganz ehrlich, ich will nicht zurück nach Elurien und nicht nach Estichà. Ich will wieder zurück nach Vobra, zu meinem Trupp. Zu Chelia, wenn sie denn doch noch lebt. Zu den Sragon, als dass sie irgendwann wirklich alle tot sind."

Sie beisst in den zweiten Apfel.

"Ich kenne den 'Meerdrachen'", meint sie dann. "Chelia war oft dort. Ich auch manchmal, wenn halt die Dublonen ausgereicht haben, dorthin zu gehen. Als Haran verdient man ja nicht gerade so viel... Und wir hatten auch einmal einen Mordfall im Meerdrachen. Ich war jetzt nicht dabei, ich weiß nicht, wer das Opfer war. Im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Und nie draufgekommen, warum, so weit ich weiß. War gerade die Zeit, in der Chelia dann von der Stadtwache weg ist, und bis ordentlicher Ersatz da war, war schon so viel Gras darüber gewachsen, dass jegliche Nachforschung vergeblich war."

Ira braucht einen Moment bevor sie weiß wo sie ist. Gähnend reibt sie sich die Augen. Überlegt ob sie sich noch einmal umdrehen soll und weiterschlafen. Aber sie hat Durst, also aufstehen. Sie läßt sich Zeit. Von draußen hört sie die leisen Stimmen von Keresin und der Ketzerin. Sie will schon aufstehen, als etwas unter dem Schrank sieht. Sie kann nicht genau erkennen was es ist. Sie rollt sich von der Decke und streckt neugierig die Hand aus. Sie greift auf Metall und zieht ihren Fund ans Licht. Es ist ein Drahtring auf dem die komischen Münzen mit dem Loch in der Mitte aufgefädelt sind. Sicher mehr als ein Dutzend. Sie hat keine Ahnung wieviel die Münzen wert sind. Aber sie freut sich. Dieser Tag fängt gut an. Sie steht auf und geht hinaus auf die Veranda. „Morgen.“: sagt sie grinsend. „Schaut was ich gefunden hab. Wenn ihr brav seid, lade ich euch zum Frühstück ein.“ Dabei schwenkt sie den Ring mit den Münzen. Leise Klirrend schlagen die Münzen aneinander.

Chelia dreht sich zu Ira um.

„Guten Morgen,“ grüßt sie ebenfalls freundlich und schaut dann mit großen Augen auf den Ring mit den Münzen. Ihr freundliches Lächeln wird um einiges breiter. „Entweder das, oder aber wir versuchen, ob wir mit diesen Münzen zu ordentlichen Waffen kommen, ohne uns ein Jahr lang den Buckel krumm arbeiten zu müssen.“

Sie schaut nun zu Keresin. „Da sieh dir diese Ira Verra an, kaum einen Tag hier, und schon ist sie reich! Da kommt man sich ja fast schön dumm vor, wenn man ihr ebenfalls eine frische Majhera zum Frühstück anbieten möchte!“

Still hört Keresin zu als Sundara von Heimat spricht. Es ist wieder einer dieser Momente in denen er im gleichen Augenblick Unverständnis und Abneigung empfindet. Wie kann man derart bedenkenlos irgendeinen Ort zu seiner Heimat machen? In einer Geste stillen Danks neigt er ein wenig den Kopf, als Sundara andeutet, daß sie ihn mag. Er ist auch durchaus nicht unempfänglich für ihr Lächeln und den Moment in dem sich für einen Herzschlag lang ein Aufleuchten in ihre Augen verirrt. Aber mehr als das Neigen seines Kopfes geschieht nicht und so verstreicht dieser Augenblick. Nur der kurze Anflug eines Lächelns weist darauf hin, daß er ihn überhaupt wahrgenommen hat. „Ich hoffe für dich, daß es dir und uns gelingt zurück zu kehren. Ich möchte..
Er unterbricht sich als Ira auf der Veranda erscheint und den Ring mit den Münzen schwenkt. Er erwidert ihren Morgengruß. „Hat dir das jemand im Schlaf unter den Kopf geschoben oder bist du des Nächtens auf Raubzug gegangen?“: erkundigt er sich scherzhaft.

Klar ich hab mit dem Messer zwischen den Zähnen beim Wirt eingebrochen. Alles gestohlen was mir unter die Finger gekommen ist.“: grinst Ira. Trotzdem sie nicht lang geschlafen hat ist sie gut aufgelegt. Zu Sundara sagt sie: „Was weiß ich ob ich reich bin. Vielleicht ist das Zeug nur Plunder. Vielleicht auch nicht und ich kann mir die halbe Stadt kaufen. Behalt dir deine Majhera. Ich will was Ordentliches zwischen die Zähne. Ich hab Hunger.“ Das es nicht bös gemeint ist, kann Sundara am Grinsen sehen. „Spaß beiseite, ich hab die Münzen unter dem Kasten in der Küche gefunden. Ich hab im Liegen etwas gesehen und unter den Kasten gegriffen. Da waren sie auch schon. Vielleicht hat sie jemand unter den Kasten versteckt? Wenns so ist dann hat er Pech gehabt. Wenn der Wirt die Münzen nimmt, dann zahl ich für uns. Später sollten wir uns aber wirklich das Haus vornehmen. Wer weiß was wir da noch alles finden.“ Mit einem Grinsen schaut sie von Sundara zu Keresin. „Ich will nur noch mein Morgentraining machen. Dann geh ich mich waschen. Dauert nicht viel länger als eine halbe Jhane. Wartet ihr auf mich oder geht ihr schon voraus in den Silberkrug?“: fragt sie.

"Im Endeffekt ist doch der, der Plunder besitzt, viel reicher als der, der nicht einmal das hat, oder?" antwortet Sundara lachend, und dies wiederum ist wohl ein Zeichen, dass sie den Kommentar zu den Majhera nicht unbedingt als böswillig aufgenommen hat. Sie schwingt ihre Beine über das Geländer und steht auf der Veranda. Wohl hat sie mit einer Hand die Pfeile im Köcher gehalten, die Asnivala bleibt jedoch an dem Geländer hängen. Und da die Scheide derselben nun nach oben schaut und der Knauf mit dem Edelstein nach unten, und da die Röhre in so vielem anders ist als andere Welten, jedoch ebenso mit dem Prinzip der Schwerkraft ausgestattet, so geschieht das Unausweichliche: Die Asnivala gleitet aus der Scheide und fällt mit einem Scheppern auf den Dielenboden. Gott sei Dank hat der Waffenschmied den Edelstein gut befestigt, so dass ausser einer kaum zu bemerkenden Delle im Boden keinerlei Schäden dabei auftreten. Das Blut auf der Schneide ist inzwischen eingetrocknet und verleiht der Klinge ein
beinahe rostiges Aussehen. Kurz wird Sundara rot, schnell hebt sie die Waffe wieder auf und lässt sie in die Scheide gleiten. Ihre Lippen formen dabei einige lautlose Worte, und nur ein Meister des Lippenlesens hätte sie wohl verstanden. Der Gesichtsausdruck dabei verrät jedoch, dass diese unausgesprochenen Worte in einem sehr vornehmen Ambiente nicht sehr gut angekommen wären. Nach einem kleinen Augenblick kehrt jedoch wieder das Lächeln auf ihre Lippen zurück.

"Wenn du magst, können wir auch zusammen trainieren," meint sie. "Und dann gehen wir zusammen frühstücken. Und dann zu der Waffenschmiedin."

„Vielleicht. Aber arm bist ja grad nicht.“: sagt sie mit einem Blick Sundaras Asnivla. „Die Waffe ist auch ohne Edelstein ganz schön was wert.“: stellt sie zutreffend fest. Als die Elurierin sich von der Geländer schwingt passiert ihr das Mißgeschick mit genau der Waffe. Das Scheppern der Waffe auf dem Boden läßt Ira grinsen. Selbst für einen grünen Rekruten wäre das eine Schande. Sie sagt nichts. Aber ihr Grinsen ist mehr als nur ein bißchen zynisch. Auf die Frage Sundaras zuckt sie die Achseln. „Wenn du magst. Ich hab nichts dagegen. Aber zuerst geh ich mein Kleid waschen. Ich hab ja nur das eine. Bei der Hitze ist es sicher trocken nach dem Training.“ Dann schaut sie zu Keresin. „Und du? Was machst du? Machst du mit? Oder willst du dich nicht vor zwei Frauen blamieren?“ Sie zwinkert ihm zu. Ihre Stichelei ist kameradschaftlich und nicht ernst gemeint.

Leise lacht Kersin auf. „Ich fürchte du hast mich durchschaut, Ira. Ich werde beschämt das Feld räumen und euch beide bei eurer löblichen Morgenbeschäftigung alleine lassen. Wenn ich es mir aussuchen kann, dann beschränke ich mich auf Frühstück als Morgenbeschäftigung. Einer der wenigen Vorzüge, die unser unfreiwilliges Exil hat, ist daß ich es mir aussuchen kann.“: erklärt Keresin schmunzelnd. „Also laßt euch nicht aufhalten und bringt euch in Schuß. Ich mach auf den Weg in den Silberkrug und werde in der Zwischenzeit den Wirten ausfragen bis du mit dem Geld kommst Ira und ich weiß, ob ich mir ein ordentliches Frühstück bestellen kann, oder an einer harten Brotkante nagen muß.“ Er will sich schon abwenden da fällt ihm noch etwas ein. „Ach ja, ich glaube es ist besser, du zeigst dem Wirten nicht alle Münzen. Er hat doch gestern gesagt, daß er diese Mon sammelt. Wenn er soviele sieht, drückt sicherlich den Preis.Viel Spaß beim Training, ich werde an euch denken in der kühlen Schenke.“ Mit einem verschmitzten Lächeln wendet er sich ab, geht in die Küche, legt seine Decke zusammen, verstaut sie in seiner Tasche, die er sich über die Schulter hängt und verläßt das Haus.

---> Platz der Tänzerin

Das zynische Grinsen scheint Sundara ziemlich zu ignorieren, ja sie wüsste auch gar nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie ist sich sehr wohl bewusst, dass sie mit der ungewohnt langen Waffe an ihrer Seite - wenigstens noch - ziemlich ungeschickt ist. So zuckt Sundara einfach mit den Schultern.

„Es ist doch eigentlich ganz egal, wie viel die Asnivala wert ist oder nicht,“ antwortet sie auf Iras Äußerung. „Ich verkaufe sie auf keinen Fall, lieber verhungere ich.“

Und auf Iras Bemerkung zu ihrem Kleid schaut sie an sich selbst hinunter. Sie nimmt schließlich den längeren der beiden Hemdzipfel in die Hand und hebt ihn hoch.

„Ich denke nicht, dass ich dieses Hemd überhaupt noch wasche,“ meint sie dann. „Ich sollte zusehen, irgendwo ein neues zu bekommen.“

Sie hat wohl auch recht, ist das Hemd zwar über und über verdreckt und voller Blutflecken, aber eben auch ziemlich in Mitleidenschaft gezogen - wie bereits bekannt an der Schulter zerrissen, durch die Herstellung des Verbandes eigentlich viel zu kurz, und schließlich auch sonst durch ausgiebiges Tragen nicht weit davon entfernt, sich irgendwann wohl selbst aufzulösen.

Schließlich wendet sich an Keresin.

„Ich hoffe doch, du suchst uns etwas Gutes aus,“ antwortet sie mit einem Grinsen. „Auf einer Brotrinde herumzunagen, naja, da kann ich auch gleich noch eine Majhera pflücken.“

„Ich bin ja nicht verblödet! Klar halt ich dem Wirt nicht alle unter die Nase.“: ruft Ira Kersin nach. Sie schüttelt den Kopf. „Was glaubt denn der von mir?“: murrt sie. Dann schaut sie Sundara an. „Ja, kann ich schon verstehen. Aber du hast sie und sie ist was wert. Das du sie nicht hergeben willst ist eine andere Geschichte. Aber egal. Moment, bin gleich wieder da.“ Sie holt ihre Tasche. Dann dreht sie den Tisch um und schüttet den Inhalt aus. „Hm, keine Seife. Na gut, dann wird es halt ohne gehen.“: sagt sie und räumt alles wieder zurück. Auch die Münzen legt sie dazu. Die Tasche läßt sie auf dem Tisch liegen. „Kommst du?“: frägt sie. Sie geht die Stufen hinunter in den Garten. Im Gehen zieht sie sich das Kleid über den Kopf. Das sie nackt ist, stört sie nicht. Am Brunnen angekommen beginnt sie das Kleid zu waschen. Sorgfältig und gründlich. „Sag, woher kommst du denn eigentlich? Bist du in Elurien geboren?“; fragt sie Sundara dabei.

Sundara folgt der blonden Schönheit, während diese sich das Kleid über den Kopf zieht. Man hat nicht den Eindruck, als würde dies irgendetwas bei Sundara bewirken. Nun ist es ja nicht so, dass die nackte Ira nicht schön anzuschauen wäre, und ebenfalls ist es nicht so, dass Sundara diesen Anblick nicht schon genossen hätte. Aber, wie gesagt, ein Feldzug unter mitunter prekären Bedingungen lässt wenig Platz für irgendwelche Prüdereien, und schnell merkt man, dass das Nackt sein an sich keine Einladung ist, gleich übereinander in völliger Liebestollerei herzufallen. Also geht sie einfach mit Ira zu dem Brunnen, und während diese beginnt, ihr Kleid zu reinigen, setzt sich Sundara einfach in das Gras vor dem Brunnen, entzündet eine Zigarette und raucht gemütlich.

"Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, wo ich geboren wurde," antwortet sie dann ruhig, ohne irgendwelches Anzeichen inneren Aufruhrs. "Meine Eltern habe ich nie kennengelernt, und so weit ich denken kann, musste ich mich halt irgendwie durchschlagen. Ich war mal hier und mal da, immer auf der Suche nach einem Platz, wo ich was zu essen bekommen habe und einen Platz zum Schlafen. Und es wäre mir eigentlich nie eingefallen, mir irgendetwas daraus zu machen, ob dieser Platz nun in Elurien liegt oder nicht. Und dann bin ich nach Estichá gekommen, wieder einmal total abgebrannt und halb am Verhungern. Da lag eine Majhera, ich habe sie genommen, und dann war auch schon die Stadtwache da und ein Standbesitzer und es wurde von Diebstahl gefaselt und so. Auf der Stadtwache war da dann diese Jahajas, die hat mich lange angesehen, und dann hat sie gelächelt. Und ich war plötzlich Mitglied der Stadtwache, und später auch der Armee. Es ist aber nicht so, dass ich mich jetzt was weiß ich was als Elurierin fühle, oder Yedeitin oder sonst was. Ich bin Sundara Jahasi, und der Lauf der Götter hat mich zur elurischen Armee getrieben. Bin ich deshalb Elurierin? Gut, ich hatte einen Bürgerbrief des elurischen Reiches, also bin ich wohl Elurierin gewesen, irgendwie. Genauso, wie wenn ich übermorgen einen Bürgerbrief dieses Kaffs hier habe, ich wohl Kafferin oder so ähnlich sein werde. Trotzdem bin ich in erster Linie Sundara Jahasi."

Der Sonnenring beginnt nun, den Garten mit seinen Strahlen vollends zu erwärmen. Sundara kratzt an dem Verband um ihre Schulter. Jeder, der schon einmal einen straffen Verband getragen hat, weiss, wie sehr es unter einem solchen jucken kann, besonders wenn die Temperaturen ansteigen.

„Das ist bei mir einfacher.“: antwortet Ira, Sie drückt das Kleid aus. „Ich bin in Vorovis geboren und hab dort gelebt. War nur einmal in Ziost für sechs Monate. Als ich noch bei der Armee war. Ein sagenhaftes Drecksloch sag ich dir. Da war die Kaserne der Garnison der reinste Palast.“ Noch einmal drückt sie das Kleid unter dem Wasserstrahl durch. „Ich bin Vorovisianerin und bleibs auch. Egal wie lang ich irgendwo leben muß.“ Dann schaut sie Sundara verblüfft an. „Was, die haben dich einfach so genommen? Direkt aus der Zelle? Bei Lijans Titten, das muß ein Verein sein! So was gab’s nicht einmal im blauen Banner und das heißt was!“ Sie schüttelt den Kopf. „Einfach nicht zu glauben.“ Sie drückt das Kleid nocheinmal aus. Dann hängt sie es vorsichtig über einen Busch. „Ich bin auch Ira, aber zuerst bin ich Vorovisianerin. Da kann sein was will. Seht ihr das Alle so? Ich mein zuerst ich, dann die Heimat?“ Ira klingt nicht spöttisch. Eher interessiert.