Forum Übersicht - Das Spiel - abgeschlossene Threads » Der Mond als stummer Zeuge

Die Tage und Nächte auf der Insel vergehen in altbekanntem Rhythmus und wechseln zwischen Delvans Sonnenring und Vesanas Mondschemen hin und her, um das Leben unpausiert voran zu treiben. Immer noch ist die Stadt bis auf die wenigen Pioniere leer und verwaist. Nur wenig hatte sich seit der Zeit ihrer Ankunft verändert, Häuser hatten sich verriegelt und mit eigentümlichen Einbruchssicherungen versehen und Nutztiere waren erschienen, um das Überleben auf etwas herkömmlichere Weise sicher zu stellen. Doch Neuankömmlinge waren ausgeblieben und die drängende Unsicherheit wuchs täglich.

Die Tage auf dieser Insel wirkten wohl schon unbelebt und trist, doch die Nächte konnte man als beinahe unwirklich stagnierend empfinden. Einer jedoch trotzt nach wie vor der Bemühung sich in das neue Leben einzufügen. Immer wieder belebt der Spielmann den Platz der Tänzerin mit seinen Klängen, oder wandert rastlos und enervierend klimpernd durch die Straßen der Stadt - stören konnte sich daran ohnehin kaum jemand und Gesellschaft konnte er nicht jedes Mal erwarten. Niemand hier teilte seine Affinität zur Nachtschwärmerei so exzessiv. Seit wenigen Tagen jedoch, hatte er damit begonnen einem anderen Zeitvertreib zu frönen, sodass ein zufälliger Beobachter in der Dunkelheit immer wieder eine Schatten an den Fassaden der Häuser empor klettern und über Dächer huschen sehen könnte. Bar der Last seiner Beutel, ohne Laute und Schellenband schlüpft der Spielmann in Vesanas Deckmantel durch die Nacht, lautlos und geschickt, sodass der Eindruck eines kriminellen Langfingers nicht ganz abwegig scheint. Er nimmt die unkonventionellsten Wege in halsbrecherischer Höhe und macht das Dächergewirr mit seinen Balkonen, Simsen und Schornsteinen auf artistische Weise zu seiner Spielwiese, einem Parcours, den er jede Nacht etwas anders gestaltet. Auf diesem Weg macht er es sich zur Aufgabe jedes Fenster und jede Tür auf ihren Einlass zu überprüfen und in jedes Haus verstohlen einzusteigen, wenn er denn einen Weg hinein findet. Stets schlüpft der Nachtschatten mit leeren Händen wieder daraus hervor, ist Beute offenbar nicht sein Bestreben - warum auch, man konnte sich hier ja nun alles nehmen und es gab keinen Grund etwas zu stehlen. Dennoch wird der Spielmann nicht müde die Dächer zu erobern und die Stadt aus einer Perspektive zu betrachten, wie sie wohl nicht allen Menschen offen stehen würde. Immer wieder verharrt er für eine Weile, lauscht in die Stille und blickt über das dunkle Dächermeer, dessen Konturen die Monde in silberner Tusche malen, nur um sich irgendwann wieder ohne jegliche Antwort oder Erkenntnis abzuwenden und weiter durch die Nacht zu streunen.

Das Pfeifen! Er kannte das Lied, es war als wäre es direkt aus einer allianzer Gasse hinter einer Kaschemme zu ihm herüber geschwappt, wo sich ein Zechender gerade wankend an einer Hauswand erleichterte. Eilig versucht er dem Klang zu folgen, ihn nicht zu verlieren, nimmt dabei den kürzesten, wenn auch sicherlich nicht den einfachsten Weg.
Zielsicher fassen seine Hände nach dem sichernden Halt und die bloßen Füße finden ihren Weg ohne Probleme, bereit dem Ursprung des Pfeifens so schnell wie möglich nachzustellen.
Die plötzliche Bewegung hinter dem dunklen Glas der Balkontür lässt den Spielmann jedoch zurückschrecken. Sein Fuß gleitet vom Sims ab und gerade noch so findet er Halt am Geländer, krallt sich daran fest, während seine Augen der Erscheinung entgegen starren. Das Lächeln der Mandeläugigen lässt ihn verblüfft ausatmen, ehe er sich auch schon über das Geländer schwingt. "Hey, bitte warte." ruft er halblaut, greift nach der Türklinke und testet, ob sie sich öffnen lässt. "Ich möchte nur mit dir reden..."

Überrascht von der so plötzlich nachgebenden Tür stolpert der Barde reichlich unelegant in den Raum und verharrt einen Moment lang mit hektisch klopfendem Herzen und in die Stille hinein lauschend. Erst als er sicher ist, dass der Raum leer ist, atmet er etwas unwillig durch, wobei ihm prompt der erregende Duft in die Nase steigt. Verdutzt schnuppert er nach dem subtilen Hauch und lässt erneut den Blick schweifen, wobei er sich gar einmal um sich selbst wendet und das Mobiliar betrachtet. Ein nachdenkliches Brummen entschlüpft ihm schließlich, ehe er sich räuspert und sich bei dem nächsten Worten doch selber recht albern vorkommt. "Bist du noch da Jonjaya? Bitte zeig dich..."

"Hrrrm..." brummt der Spielmann leise und reibt sich in einem Anflug von Wehmut den Nacken. Gegen den Duft von warmer Haut in feucht-fröhlicher Gesellschaft, mit Musik, Tanz und dem Versprechen die Nacht nicht allein verbringen zu müssen, hätte er jetzt wahrlich nichts einzuwenden. Er seufzt lautlos, wirft den Blick noch einmal in den Raum hinein, dann verlässt er das Haus wieder durch die Balkontür. Er setzt seinen Weg über die Dächer der Stadt fort, bis sich das schmale Band der Sonne am Horizont abzeichnet und er sich irgendwo ein Plätzchen sucht, um die Hälfte des belanglosen Tages so intensiv wie möglich zu verschlafen...

Erstaunt verharrt der Spielmann auf dem Balkon, wendet sich der Tür zu und löst die Feine Tuche von der Klinke. Er hebt sie empor, senkt die Nase hinein und schließt die Augen, während er einen Moment lang den Duft auf sich wirken lässt. Ashrabad ~
Der Gedanke an die pulsierende Inselstadt lässt ihn wehmütig lächeln.
Gewissenhaft bindet er das feine Gewebe wieder an die Klinke. "Dir steht das sicherlich besser als mir, Jonjaya." spricht er mit leisem Schalk in die Dunkelheit, betrachtet noch einen Moment lang wie der farbenprächtige Schal unter einer flüchtigen Brise aufgewirbelt wird, dann wendet er sich ab und lässt das Haus hinter sich zurück.