Forum Übersicht - Das Spiel - abgeschlossene Threads » Atem schöpfen

Der Rum in seinem Becher duftet verführerisch nach trügerischen Vergessen. Die Asnivala neben sich, sieht er von seiner Veranda hinaus auf den Metcha. Er sieht der schwachen Dünung zu, die sich mit leisem Rauschen im Sand des Strandes verläuft, versickert und verschwindet. Seine Gedanken drehen sich im Kreis, bitter und süß, Licht und Schatten, Verlangen und Schmerz. Kein Weg, der aus dem Labyrinth aus Schuld und Vertanenem führt, kein Schritt der ihn nicht tiefer in das Netz verstrickt, daß er selbst geknüpft. Stillstehen, einfach stillstehen, Atem schöpfen. Langsam, viel zu langsam verwischt der Rum die harten Konturen, wärmt ihn für geborgte Momente. Er sieht hinaus auf den Metcha und beschwört für einen flüchtigen Augenblick den Duft ihres Haares, lächelt verloren und wie Sand unaufhaltsam durch die Finger rieselt, verweht der letzte Hauch, nur der Rum in seinem Becher duftet noch.

Hels Blick wird wohl auf eine Gestalt fallen, die ihm den Tag endgültig versüßen wird. Es ist seine heißgeliebte Freundin Chelia Zontor. Auch sie scheint Atem zu schöpfen. Sie steht am Strand, mit gezogener Asnivala, die sie allerdings hält wie eine Asnichara, also mit beiden Händen. Die Stiefel stehen zwei Vat von ihr entfernt. Sie scheint einen Tanz auszuführen mit ihrer Waffe - schnelle Bewegungen gehen nahtlos in langsame über, mal dreht sie sich langsam um die Waffe herum, ohne dass diese sich bewegt, dann wieder macht sie einen Salto darüber hinweg. Kaum ist zu erwarten, dass sie irgendetwas um sie herum wahrnimmt, sie scheint komplett in sich versunken zu sein. Und so sinnlos die Bewegungen mitunter sein mögen, eine gewisser Anmut ist diesem Ritual nicht abzuerkennen. Der Sonnenring, der langsam zu verglimmen beginnt, taucht den Metchà in ein funkelndes Gold, vor dem die Kämpferin nur mehr schemenhaft zu erkennen ist, und verleiht dem Spektakel eine einzigartige Atmosphäre.

Irgendwann nimmt Hel die Gestalt unten am Strand wahr, doch seine Gedanken sind in einem fernen Land, viel weiter fort als die paar dutzend Vat die ihn von dem Strand trennen. Selbst als er sie erkennt, scheucht er sie aus seinen Gedanken, wie ein lästiges Insekt von einer Mahlzeit. Nur ein flüchtiger Griff, mit dem er sich vergewissert, daß seine Waffe noch neben ihm liegt, läßt darauf schließen, daß er sie überhaupt wahr genommen hat. Er füllt seinen Becher wieder, lehnt sich zurück und seine Augen richten sich wieder hinaus auf den Metcha.

Noch eine ganze Weile dauert Chelias Tanz mit der Asnivala. Dann hält sie inne, den Blick ebenfalls auf den Metchà gerichtet, lässt die Waffe sinken. Der Stahl gleitet zurück in die Scheide. Sie beobachtet die güldenen Wellen, deren Kronen wie Edelsteine darin funkeln. Zwei kleinere Inseln heben sich daraus hervor, dazwischen die Weite des Ozeans, an dessen Ende sich wohl Land befinden wird. Welches Land kann es sein? Chelia kann es nicht sagen, so wie es wohl niemand bestimmen kann. Befinden sie sich überhaupt noch in der Röhre? Chelia holt tief Luft, saugt den Duft des Salzwassers ein. Ihre Zeit als Leiterin der Hafenwache kommt ihr in den Sinn, und ihr dünkt, das knarren der Takelage zu hören, das Scheuern der Ankertaue am Kai, die Stimmen der Seeleute. Wohl sind es nur ein paar Stürme, die seitdem vergangen sind, doch kommen sie ihr wie Ewigkeiten vor. Wie viel ist inzwischen passiert! Und nun, was wird auf sie zukommen? Chelia dreht sich um, nimmt ihre Stiefel und geht auf die Straße zu, die an Hels und Ataerics Häusern vorbei zum Marktplatz führt. Nun erst nimmt auch sie ihren eigentlichen Landsmann wahr. Sie bleibt stehen, sieht zu ihm hinauf, wie er da sitzt, ebenso in Gedanken versunken wie sie gerade. Ihre Zähne beginne, über ihre Unterlippe zu gleiten, ansonsten steht sie reglos und beobachtet Hel Nergal, friedlich auf seiner Veranda sitzend, mit einem halbleeren Rumglas in der Hand.

Ihre Gegenwart nagt am Rande seiner Wahrnehmung, aufdringlich wie eines jener blutsaugenden Insekten, die im Morgengrau und in der Dämmerung ausschwärmen, lästig aber unwichtig. Der Rum und seine Sehnsucht haben ihn wieder in der Hand und die Renegatin verschwimmt zu einem Fliegendreck in der Szenerie, die er ohnehin nur am Rande wahrnimmt.
Als sie näher kommt ist es ihm, als wehte auf einmal der Wind aus einer anderen Richtung und brächte den Gestank einer Senkgrube mit sich, der seinen alkoholischen Frieden stört, als wäre der Blutsauger mitten auf seiner Stirn gelandet. Unwillig sich darauf konzentrieren zu müssen, sich diese Gestalt auch nur weiter anzusehen, greift er nach seiner Asnivala, erhebt sich und wechselt den Stuhl. Er sieht immer noch auf den Metcha hinaus, aber in einem Winkel, der die Störung verschwinden läßt. Den Aufgang zur Veranda hat er im Blickfeld, die Waffe in bequemer Reichweite, so nimmt er einen kräftigen Schluck und der Duft ihres Haares lockt ihn wieder davon, von Strand und Renegatin.

Noch eine ganze Weile steht Chelia da und beobachtet den Mann, während ihre Zähne die Unterlippe malträtieren. Dann schließt sie die Augen, atmet tief ein, überwindet sich anscheinend, etwas zu tun, das ihr sichtlich schwer fällt. Dann setzt sie sich in Bewegung. Als sie den Sand des Strandes hinter sich hat, schlüpft sie in ihre Stiefel, sieht noch einmal zu Hel Nergal und geht dann direkt auf sein Haus zu. Ohne irgendwelche Umwege schlägt sie den Weg zum Aufgang zu seiner Veranda ein. Sie geht nicht schnell, doch sie zögert dabei auch nicht. Dann steigt sie die Stufen zu der Veranda hinauf. Am Kopfende der Treppe bleibt sie stehen. Sie sieht den ehemaligen Reichsprovisor an, mit kühlem Blick, und doch ist die Verachtung, die Hel sonst in ihren Augen wahrgenommen haben wird, auf ein Minimum reduziert. Ihre Hand ruht auf ihrer Asnivala, doch ist es die linke Hand, lässig liegt sie auf dem Edelstein, der den Griff der Waffe abschließt, unfähig, aus dieser Position einen schnellen Angriff zu starten. Wohl eine halbe Minute steht sie da, und sollte sie Hel bis dahin weiter ignorieren, wird sie selbst das Gespräch beginnen.

"Hel Nergal, wir müssen reden."

Hartnäckig wie ein Roputan drängt sich die Renegatin in seine Wahrnehmung, vertreibt den Duft und die Bilder einer glücklicheren Zeit, so weit entfernt, daß sie aus einem anderen Leben stammen könnten. Ärger steigt ihn ihm hoch, verläuft sich aber in einem Nebel aus Rum und Resignation. Wenn es sein sollte, dann sollte es sein. Er stellt den Becher weg, greift nach seiner Waffe, lockert sie in der Scheide und legt sie über die Knie. Er zieht sie nicht, als er merkt, daß er nicht unmittelbar attackiert wird. Unbeweglich und doch bereit, wie eine zusammen geringelte Viper wartet er und er hat alle Zeit der Welt. Seine Augen zwar sind gerötet und seine Stimme heiser vom Rum, aber er lallt weder noch spricht er undeutlich, als leise sagt: „Verpisst euch, ihr verstellt mir die Aussicht.“

Chelia senkt den Kopf und geht wie ein geprügelter Maikong von der Veranda. Es ist wohl dieses Bild, das Hel gerne sehen würde. Nur... er bekommt es nicht zu sehen. Im Gegenteil. Chelias Augen verengen sich kurz zu einem Schlitz, nicht lange, einige Augenblicke lang, und in diesen Augenblicken pressen sich ihre Zähne aufeinander. Dann entspannt sich das Gesicht wieder. Chelia sieht Hel an,kurz blitzen die Augen auf, dann kehrt die Kühle wieder in diesselben zurück. Nein, so leicht lässt sie sich nicht abschütteln. Chelia geht nun über die Veranda, baut sich direkt vor Hel Nergal auf, die Daumen nun lässig am Hosenbund eingehakt. Hel müsste nun wohl seinen Stuhl verrücken, um an Chelia vorbei zu sehen. Sie sieht ihn an, mit scheinbar stoischer Ruhe, und doch hat wenigstens das Aufblitzen in ihren Iriden vorhin verraten, dass die Ruhe wohl nur Fassade ist.

"Hel Nergal, wir müssen reden," wiederholt sie in exakt demselben Tonfall von vorhin.

Es ist Hel völlig egal ob die Renegatin sich mit gesenkem Kopf, auf einen Bein hüpfen, kriechend, gehend oder auch fliegend von seiner Veranda trollt, solange sie verschwindet. Als sie das Gegenteilt tut und auf ihn zukommt, steigt langsam aber sicher Ärger in ihm hoch, als er so gezwungen wird, sich mit der Anwesenheit der Renegatin auseinander zu setzen. Aber noch glättet der Rum die Kanten und auch sein Bedarf an einer Auseinandersetzung hält sich in engen Grenzen. Er will sich nur zurücklehnen und sich aus der Realität dieser Veranda zurückziehen. Genau im gleichen Tonfall, nur ein wenig lauter wie vorhin sagt er: „Verpisst euch. Ich habe nichts mit euch zu bereden.“

Wieder verengen sich ihre Augen zu einem Sehschlitz, einige Augenblicke lang, begleitet von dem Heraustreten der Kiefermuskulatur durch das Aufeinanderpressen der Beißleisten. Wieder entspannt sich das Gesicht, doch nur kurz. Die Augen verengen sich erneut, dieses mal kaum merklich, und auf das Gesicht legt sich trotzige Spannung. Man sieht es ihr an: Sie hat sich vorgenommen, dies hier durchzuziehen, und sie wird wohl alles daran setzen, dies auch zu tun. Kurz reibt sie die Stiefelspitze nervös hin und her, als ob sie eine Zigarette ausdrücken versuchte, dann steht der Stiefel wieder ruhig.

"Ihr habt für morgen ein Treffen anberaumt," bemerkt sie dann, bevor sie wieder schweigt, Hel mit diesem trotzigem Blick geradewegs in die Augen schauend.

Hel hat jetzt die Wahl aufzustehen, blank zu ziehen und diesen aufdringlichen Abschaum mit der Klinge davon zu jagen, oder sitzen zu bleiben und das Zwysel über sich ergehen zu lassen, wie plötzlichen Durchfall oder Erbrechen. Er wägt ab und entscheidet sich für Letzteres. Noch steht er mit einem Bein in dem fernen Land, noch immer ist er nicht ganz da und auch nicht willens jetzt und schon gar nicht wegen der Renegatin völlig zurück zu kehren. Auch der Blick seiner geröteten Augen ist immer noch etwas abwesend, als er sie schließlich ansieht. „Und?“

Auf Chelias Lippen legt sich ein Hauch eines triumphierenden Lächelns. Nein, er hat seine Asnivala nicht gezogen, er hat ihr keinen Tritt versetzt. Im Gegenteil. Durch seine kurze Frage signalisiert er sogar einen leichten Anflug an Gesprächsbereitschaft.

"Das Treffen sollte ein Erfolg werden. Ich schlage vor, wir vergessen unsere Feindschaft für dieses Treffen. Danach sehen wir uns wieder, einen Tag später, selbe Zeit, selber Ort. Wir beide. Mreccara mit Stock bis es einer von uns nicht mehr schafft, sich zu erheben. Gewinnt Ihr, akzeptiere ich jede Strafe für meinen nächtlichen Angriff. Gewinne ich, verzichtet Ihr auf jeglichen Führungsanspruch in der Gruppe."

Sie hat ruhig gesprochen, sie hat bestimmt gesprochen. Nun hat sie fertig, sieht Hel an und wartet auf seine Reaktion.

Für einen Moment schweigt Hel, dann lacht er auf, doch keine Heiterkeit schwingt in diesem Lachen. Offensichtlich hat sie geschafft ihn zurück zu holen, denn als er sich langsam aus seinem Stuhl erhebt und sie ansieht, ist das Abwesende in seinem Blick verschwunden. Er beherrscht sich, trotzdem schwankt er leicht, als er aufrecht steht, mit der Linken die Asnivala haltend
„Wofür haltet ihr mich? Für euresgleichen? Für einen elurischen Nachtwächter, der sich mit euch herum prügelt und das auch noch mit Stöckchen?“
Wieder lacht er leise auf.
„Das Einzige worauf ich auch euch gegenüber verzichte, ist das zweifelhafte Vergnügen eure Anwesenheit. Der Waffenstillstand für morgen gilt, wie ich es schon Javero gesagt habe und jetzt schert euch davon und laßt mich in Frieden.“

Ein verächtliches Schnauben geht durch Chelias Nase, ihr Mund verformt sich zu einem kühlen Grinsen.

"Ihr wisst, wofür ich Euch halte. Ich habe allerdings gehofft, dass Ihr soviel Grips in eurer vorovischen Matschbirne habt, dass es an einem Ort, an dem es drei ausgebildete Krieger gibt, es nicht gerade von großem Vorteil ist, wenn sich zwei insoweit zerfleischen, dass einer tot ist und der andere vielleicht dauerhaft kampfunfähig. Aber anscheinend ist Euch sogar das Körnchen Verstand abhanden gekommen."

Kurz sieht sie ihn an, ihre Augen blitzen kurz auf.

"Sinuva!" grüßt sie dann, und sollte Hel nichts dagegen tun, wird sie ebenso langsam und ruhig die Veranda wieder verlassen und Hel Nergal in der Überzeugung zurücklassen, dass auch große Mengen an Rum keinen großen Schaden mehr anrichten können.

Er macht sich nicht die Mühe auf ihr Gerede auch nur mit einem Wort einzugehen. Ihre Meinung interessiert ihn so brennend ihn wie die Warzen am Hintern der Großmutter der Reshala. Langsam setzt er sich wieder als die Renegatin endlich von seiner Veranda verschwand. Er läßt sich langsam zurück sinken, gönnt sich noch einen Schluck, doch solang er auch auf den Metcha hinaussah, die verzaubernde Stimmung wollte sich nicht mehr einstellen. Mit einem Fluch wirft er die leere Rumflasche in die Richtung in der noch vor einer halben Jhane das Zwysel gestanden hatte. Etwas schwankend macht er sich auf die Suche nach einer neuen Flasche. Im Wohnzimmer wird er fündig und sie ist sogar schon angebrochen. Er läßt sich auf seiner Veranda nieder und beschäftigt sich wieder mit dem einzigen Problem, daß ihm derzeit wichtig ist.