Forum Übersicht - RE: Das neue, alte Haus - 6

Sundara sieht Ira eine ganze Weile nachdenklich an. Dann zuckt sie mit den Schultern und murmelt das Wort „Verbannt“ vor sich hin. Dann fügt sie hinzu, im Endeffekt von der ganzen Betonung her auch eher an sich selbst gewandt: „Warum eigentlich nicht?“ Dann geht ihr Blick zu Keresin, ein leichtes und entschuldigendes Lächeln legt sich auf ihre Lippen. Sie scheint ihm seine Ironie gar nicht übel zu nehmen, sondern den Fehler an dem Ausbruch wohl ausschließlich bei sich zu sehen.

„Natürlich,“ sagt sie dann, „das kannst du ja alles gar nicht wissen. Also, wie es geheißen hat, Misaki hätte keine Zeit, sich um Ira zu kümmern, ist uns beiden das ziemlich sonderbar aufgestoßen, und bevor wir uns hier die ganze Nacht lang den Kopf zerklauben und am Ende noch vor Sorge eingehen, bin ich halt einmal los, um mir das ganze einmal anzusehen. Naja, Misaki war wohl wirklich nicht zu Hause. Allerdings wurde ich da schon erwartet, und zwar von der Tussi, die Ira hergebracht hat, und vier oder fünf Hütern. Oder mehr, das weiß ich nicht. Jedenfalls war das schon etwas sonderbar, denn wir haben eigentlich gar nicht lange beraten, und ich bin wirklich nicht langsam da hingerannt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich da ein Bote so abgehängt hätte, wenigstens ohne ein gutes Karkech. Und Karkechs habe ich hier noch gar keine gesehen, und noch keine gehört. Und am allerwenigsten vorhin. Naja, die Hüter waren nicht gerade erfreut mich zu sehen, kannst du dir ja vorstellen. Und das alles sagt halt, dass Misaki wohl nicht einfach Unkraut jäten wollte. Jedenfalls habe ich es geschafft, dass die Tussi ganz kurz die Fassung verloren hat, auch den Namen Ichidingsbums benutzt hat und gemeint, niemand würde es wagen, ihr ein Haar zu krümmen. Naja, ich habe es schon ein bisschen darauf angelegt, dass die noch ein bisschen zu nerven, wenigstens kriege ich plötzlich einen gehörigen Bumms zwischen die Schulterblätter und bin eingeschnürt wie ein Majina im Räucherofen. Dann haben die mich auf die Straße gelegt, so wie ich war, und plötzlich ist dieser Yresen da. Und der hat mir versucht zu erklären, wie das hier vor sich geht. Da gibt es eben diese Eisenhallen, da wohnt, wie er sagte, eine Gottheit, die hier über Leben und Tod entscheidet. Darunter haben wir die Angma, er nannte sie Dämonen, jedenfalls sind die ebenfalls in den Eisenhallen und nur selten hier oben. Die Angma befehligen wieder die Yurei, das seien die Totengeister. Und als Stadtwache haben die diese Hüter, die ich da gesehen habe. Jedenfalls sei Misaki ein Angma, benutzt diesen Namen anscheinend nur hier heroben.“

Sie macht nun eine kurze Pause, schaut kurz von Keresin zu Ira und wieder zurück. „Also, den Käse mit Göttern und Dämonen kaufe ich ihm nicht ab. Ich meine, Götter haben sicher besseres zu tun, als sich mit diesem Kaff hier abzumühen. Aber in diesen Eisenhallen könnte es ja eine Anführerin mit ihren Beratern, Ministern, Generälen, nennt sie wie ihr wollt, leben. Und Misaki hat eben irgendwas ausgefressen und musste deshalb die Eisenhallen verlassen und hier mit all den Hohlköpfen alla Stanchek hausen. Und jetzt hat sie freilich eine Riesenwut auf die anderen Angma, würde uns am liebsten alles brühwarm erzählen, dass wir denen ordentlich Feuer unter dem Hintern machen, auf der anderen Seite will sie aber freilich wieder zurück, und kann deshalb einen Scheißdreck tun, um uns zu helfen. Deshalb hat sie auch immer wieder diese Aussetzer, die sie danach irgendwie zu bereuen scheint. Aber sie wird wohl einen feuchten Dreck dafür tun, dass wir hier wieder wegkommen.“

Der Blick Keresins ruht eine kleine Weile auf Ira bevor er ihr auf ihre letzte Frage antwortet: „Ich halte es für möglich, daß sie in diesem Fall die Wahrheit sagt. Nicht das ich es akzeptiere bevor ich mich drei Mal davon überzeugt habe, aber wir sollten es als Möglichkeit nicht ausschließen.“: sagt er ruhig. Dann hört er Sundara aufmerksam zu. Er antwortet nicht gleich, denkt für ein paar Augenblicke über die Überlegungen der Elurierin nach. „Es kann gut sein daß es sich so verhält wie du es dargestellt hast.“: sagt er schließlich. „Es paßt im Großen und Ganzen zu den Verhaltensweisen Misakis. Aber wir können bis zum nächsten Sturm darüber diskutieren und kommen damit trotzdem keinen Schritt weiter. Wir wissen viel zu wenig über sie und den ganzen verborgenen Apparat, der hinter dieser Ruinenkulisse am Werk ist. Von Misaki bekommen wir nur zu hören, was Misaki uns, aus welchen Gründen auch immer, mitteilen will. Ich bin mir weitgehend sicher, daß wir sich auch unter Druck nicht zum Reden bringen. Aber vielleicht ist aus diesem Yresen etwas herauszuholen oder aus diesen Hütern. Aber bevor wir das ausführlich bereden, sollten wir vielleicht hinuntergehen und uns mit dieser Inara unterhalten. Sie hat mir gesagt, daß sie eine Ahnung hätte was der Gegenstand sein könnte, den du in dem Zylinder gefunden hast.“

Es braucht nicht viel Worte. Iras Blick ist deutlich genug. Sie schaut Keresin an, dann nickt sie leicht mit dem Kopf. „Ich hab mir das Gleiche gedacht.“: sagt sie leise. „Aber ich wills mir gar nicht vorstellen. Ein ganzes Leben hier in diesem Dreckslochmit den ganzen Irren? Scheiße! Scheiße! Bei Phalos, ich schwörs! Wenn ich die in die Finger krieg die mir das angetan haben, dann zieh ich ihnen die Haut ab. Bei lebendigem Leib!“ Bei den letzten Worten bebt ihre Stimme. Dann stemmt sie sich in die Höhe. Ihre Beine tragen sie wieder. „Du hast Recht! Herumraten bringt nichts. Das ist wie durch ein stockfinsteres Zimmer tappen. Wir sollten reden, aber nicht hier.“ Sie schaut Sundara an. „Umso länger ich darüber nachdenk, desto mehr geb ich dir recht. Mit diesem Haus ist was nicht in Ordnung!“ Dann schaut sie wieder zu Keresin. „Meine Rede! Greifen wir uns einen von den Typen und quetschen ihn aus. Ich will jetzt gar nicht fragen, was ihr gefunden habt. Wenn die Suppensiederin was weiß das uns helfen kann, dann gehen wir runter.“ Sie macht vorsichtig einen Schritt. „Nicht zu glauben. Ich spür überhaupt nichts mehr.“: sagt sie überrascht. Ihre Beine sind nur noch ein bißchen wackelig.

Nun wird sich wohl keiner der Anwesenden große Mühe machen, um die Mimik der kleinen Bogenschützin zu begutachten, wenn sie damit auch wieder mehr von sich preisgibt, als sie es mit tausend Worten hätte tun können. So verengen sich zunächst die Augen, die Lippen pressen sich bis zum Spalt aufeinander, während es in den Augen aufblitzt, als Keresin Ira dabei recht gibt, dass eine Rückkehr sehr wahrscheinlich wirklich unmöglich sein könnte. Doch wie so oft ist dieser Ausdruck nur für den Bruchteil eines Augenblicks auf ihrem Gesicht zu sehen, dann legt sich ihr Blick wieder tief und aufmerksam in den des Vorovisen. Als er meint, Sundara könne recht haben mit ihren Sinnierereien, kommt ein Glanz in ihre Augen, erfreute Genugtuung, sogar ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen, das dann jedoch wiederum von der - sicher berechtigten - Aussage, dass jegliche Diskussion doch der Fruchtlosigkeit verdammt schiene, weggewischt wird. Als wäre sie bei etwas ertappt worden, geht ihr Blick nach unten, ihr rechter Schneidezahn fasst die Unterlippe. Dann jedoch kommt Ira mit einem ihrer temperamentvollen Ausbrüche. Es ist ein warmer, fast melancholischer Blick, der sie dabei begleitet, zusammen mit einem freundlichen Lächeln - nun, wohl ein Ausdruck den ein Reisender im Gesicht haben könnte, wenn er nach einer viele Stürme währender Reise zum ersten Mal ein Bild seiner Heimatstadt in den Händen hielte. Dann jedoch kehrt wiederum Schuldbewusstsein in ihr Gesicht zurück, nur kurz, dann lässt sie sich einfach nach hinten fallen, streckt einen Arm zu dem Bündel ihrer Kleider in Ecke aus und holt das Kästchen hervor. Sie wirft es zu Ira, lässig, doch wohlgezielt, so dass diese trotz ihrer leichten Unpässlichkeit keine Mühe haben sollte, dies auch aufzufangen. Und den Schwung, mit dem sie sich wieder in die Sitzposition katapultiert, nimmt sie gleich mit und stellt sich so auf die Beine. Sie klaubt noch die zwei Suppenschüsseln mit den Löffeln zusammen und wendet sich schließlich um.

"Dann gehen wir nach unten," sagt sie nun kurz und bündig, ohne irgend etwas des Gesagten weiter zu kommentieren. Ihr viel zu großes Hemd ist zur Seite gerutscht und gibt ihre verbunden Schulter frei. Sie schaut von Ira zu Keresin und wieder zurück.

„Gut! Dann hören wir uns an was die Allianzlerin zu sagen hat.“: sagt Keresin, dreht sich um und öffnet die Türe. Er steigt aus Rücksicht auf Ira langsam die Treppen hinunter. Draußen auf der Veranda sind schon die ersten Geräusche der erwachende Nachtwesen zu hören und von Inara kann er nur mehr ihre Umrisse ausmachen. „Ira ist erfreulicher Weise wieder auf den Beinen. Ihr scheint mit eurem Gefühl hier beobachtet zu werden, Recht zu haben. Sundara hatte erst vor kurzem ein Erlebnis das eigentlich keine andere Erklärung zu läßt. Wir würden gerne hören was ihr zu dem Kristall zu sagen habt und wenn ihr nichts dagegen habt, schlage ich vor, daß wir auf den Platz hinausgehen. Er bietet kein Versteck für einen möglichen Beobachter und er ist zu groß um uns irgendwie belauschen zu können.“ Ruhig wartet Keresin auf eine Antwort.

Ira fängt das Kästchen mit Leichtigkeit. Neugierig öffnet sie es. Ziemlich lang schaut sie auf den Kristall. Dann nimmt sie ihn heraus und dreht ihn zwischen den Fingern. Sie hält ihn vors Auge bevor sie ihn wieder zurücklegt und das Kästchen schließt. „Ich hab keinen Tau was das ist. Aber es sieht hübsch aus. Mach dir einen Anhänger draus.“: grinst sie Sundara an und wirft das Kästchen ohne Schwung zurück. Sicher kein Problem für Sundara es zu fangen. Dann setzt sich Ira vorsichtig in Bewegung. „Bin schon gespannt was die Suppentussi darüber weiß.“ Langsam steigt sie hinter Keresin die Stufen hinunter. So vorsichtig wie sie geht ist sie langsam. Sie kommt erst hinaus auf die Verdanda als Keresin über den Platz redet. Seine Argumente sind vernünftig. Außerdem hat Ira keine große Lust auf einen längeren Marsch, also nickt sie. „Also ich bin einverstanden.“: sagt sie. Ira lehnt sich an die Wand und wartet.

Hat wahrlich keinerlei Problem, das Kästchen zu fangen, obwohl sie freilich die bereits die Suppenschüsseln trägt. Dafür ist sie nun ordentlich beladen, hat im wahrsten Sinne des Wortes keine Hand mehr frei. Vor dem Verlassen des Raumes fällt ihr Blick trotzdem zu ihrem kleinen Waffenarsenal. Kurz hält sie inne, dann entscheidet sie sich dazu, sämtliche Waffen hier zu lassen. Sie gehen nur in den Garten, und auch ihre bisherigen zwei nächtlichen Ausflüge waren wohl etwas unheimlich, doch nichts, was in der kleinen Bogenschützin richtige Sorge oder gar Angst erwecken könnte. Also geht sieht sie mehr wie eine Schankmagd im Nachthemd aus als eine Kriegerin, als sie langsam hinter Ira die Stufen hinabsteigt. Sie lässt ihre Augen nicht vor der großgewachsenen Blonden, jederzeit bereit, sie aufzufangen, sollte sie ins Straucheln kommen. Aber Ira macht es gut. Sie ist freilich vorsichtig, doch keineswegs ungeschickt, und so kommen sie denn auch glücklich am Fuß der Treppe an. Sie gehen durch die Küche in den Garten. Sie stellt die Schüsseln in der Küche ab, tritt auf die Veranda. Sie steckt sich eine Zigarette an, lauscht, was Keresin Inara zu sagen hat. Sie hat nichts einzuwenden. Das Haus war ihr ja vom ersten Tag an zuwider, und je länger sie hier wohnen, desto mehr ist ihre Abneigung dagegen gestiegen. Sie ist nun ganz und gar der Überzeugung, dass sie sich alle eine neue Bleibe suchen sollten, sobald Ira so weit genesen ist, dass man ihr dies zumuten kann. Sie mustert ihre Freundin. Sie steht sicher. Morgen, höchstens übermorgen würde sie sich umsehen. Und sie ist entschlossen, dies bei der folgenden kleinen Beratung auch vorzubringen. Nun geht ihr Blick zu Inara. Der Blick ist freilich intensiv, doch ist die Nacht auf die kleine Stadt niedergesunken. Man sagt, man können Blicke auch im Dunkeln spüren. Einen Beweis hat darüber freilich noch niemand erbracht.

„Na sehr gesprächig ist die nicht.“: mault Ira halblaut. Dann stößt sie sich von der Wand und sagt zu Sundara: „Ich hab keine Lust mir da die Füße in den Bauch zu stehen. Dazu hab ich einen Mordsdurst. Wenn die Ketzerin doch noch den Mund aufmacht kannst du es mir hinterher erzählen. Ich geh in den Silberkrug, ich brauch ein Bier oder zwei. Bis bald, du weißt wo du mich findest.“ Ira dreht sich um und geht ins Haus hinein. Vorsichtig steigt sie die Stufen hoch. Ohne ihre Waffe will sie das Haus nicht verlassen. Sie schnallt sich den Gürtel mit der Asnivala um. Bis auf den Durst fühlt sich sich jetzt deutlich besser. Trotzdem beeilt sie sich nicht und paßt auf wo sie hinsteigt. Dann macht sie Tür auf und geht hinaus auf den Platz.

Inara schient tatsächlich in Gedanken versunken, als Keresin ankündigt nach oben zu gehen. Irritiert sieht sie auf und nickt dann knapp. Hatte sie dem Vorovisianer tatsächlich schon von ihrer Begegnung mit dem Bauern erzählt? Ihr Gedächtnis lässt sie offenbar mehr und mehr im Stich. Nicht nur, dass sie sich nicht erinnert wie sie hierher kam und was zuletzt in Metchiya passiert ist, die erste Begegnung mit Keresin und Lenari ist für sie gefühlte Monate her. Vielleicht ist das beginnende Wahnsinn, der die Bewohner diese Insel zwangsläufig zu ereilen scheint. Das würde sowohl die Marodeure, als auch das Verhalten von Yresen erklären.
Die Allianzlerin erhebt sich schließlich von ihrem Platz auf der Veranda und nimmt die Suppenschüsseln. Sie geht in die Küche, um dort leise und nachdenklich aufzuräumen. Suppe ist noch genug für alle vier für den nächsten Tag da. Und auch wenn sie sich sicher ist, dass sie nicht dauerhaft in diesem Haus bleiben sollten, so sind sie hier vorerst gut aufgehoben. Nach dem Abwasch entzündet sie Kerzen, die sie in einem der Schränke gefunden hat. Neugierig schaut sie sich nun genauer um. Ein Schrank nach dem anderen und ebenso verfährt sie mit den Räumen im Erdgeschoss. Ein verlassenes Haus, das ohne Staub wie auf dem Präsentierteller daher kommt. Nützliche Kleinigkeiten hier und da. Aber Inara sucht nach dem überdeutlich normalen zwischen all dem Nützlichen. Keine Libellen oder anderen Insekten. Sie lauscht auf ein Summen, ein verräterisches Leuchten. Sie ist instinktiv davon überzeugt, dass sie hier belauscht oder beobachtet werden, auch wenn sie noch nicht genau sagen kann, wonach sie wirklich sucht.

Währenddessen stapelt sich immer mehr nützlicher Kleinkram auf dem Tisch in der Küche. Etwas zum Feuermachen. Ein Laken, um daraus Verbände zu schneiden. Wertvolles Papier und ein paar Kohlestifte. In dem einzigen Schlafzimmer im Erdgeschoss findet sie ein paar Kleidungsstücke, die einem Mann von Keresins Statur passen könnten. Sie beschließt eines der Hemden und eine Hose zu nehmen, auch wenn diese ihr zu groß sein werden. Wie gerne würde sie jetzt ein Bad nehmen. Doch das muss warten, bis sie mit oder ohne die anderen eine Entscheidung getroffen hat.

Als die anderen schließlich auf die Veranda treten liegt ein Bündel neben der Tür. Inara sitzt auf den Stufen und erhebt sich nach Keresins Worten erst, als Ira davon geht. "Entschuldigt. Ich fürchte die Anstrengungen der letzten Tage machen mir mehr zu schaffen, als ich wahrhaben möchte." Sie folgt dem Vorovisianer noch immer recht schweigsam auf den Platz. Zurück auf der Veranda bleibt nur die flackernde Kerze.
Auf dem Platz blickt sie sich um, so als würde sie der Sicherheit nicht trauen.

(ooc: Entschuldigt, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Ich war gerade selbst etwas erschrocken, dass es schon so lange her ist. Stupst mich beim nächsten Mal gerne früher via Direktnachricht an ;o))

Sundara stutzt, als Ira sich so plötzlich verabschiedet. Einen kurzen Moment denkt sie daran, ihr zu folgen. Doch schließlich folgt ihr nur ihr verwunderter Blick, bis sie aus demselben verschwindet. Sie hat mit keinem Wort erwähnt, Begleitung haben zu wollen. Bis zu dem Silberkrug sind es nur wenige Schritte, und nebenbei ist sich Sundara immer sicherer, dass die Bewohner der Insel hoffnungslos übertreiben bei den Gefahren, die die Nacht mit sich bringen soll. Eigenartige Lichter am Himmel empfindet sie nicht als unmittelbare Gefahr, und einige Irre rennen des Nächtens wohl in jeder Stadt der Röhre durch die Straßen. Nebenbei ist sie sich beileibe nicht sicher, dass sie diesem Yresen nicht mehr begegnen will, im Gegenteil. Und so wäre es vielleicht ja auch von Vorteil, wenn auch Ira einmal einen kurzen Plausch mit ihm halten würde. Sie selbst will nun erfahren, was diese Inara Saheras denn von dem Irgendetwas weiß, das in dem Ding enthalten war. Sie folgt Inara in den Garten. Auch sie sieht sich um. Doch späht sie nicht nach eventuellen Gefahren aus - vielmehr möchte sie nicht schon wieder belauscht werden.

„Kein Grund sich zu entschuldigen, dieser Ort geht jedem auf die eine oder andere Art auf die Nerven.“: sagt Keresin höflich. Das Ira einfach auf oder davon ist, nimmt er nicht übel. Lange hätte auch er nicht mehr gewartet. Bevor er sich der Frau aus der Allianz anschließt, sagt er noch schmunzelnd zu Sundara, die im Begriff ist, in den Garten hinauszugehen: „Hier entlang.“ Dann verläßt er die Veranda durchs Haus und tritt hinaus auf den dunklen Platz, der nur von den Lampen des Silberkrugs spärlich erleuchtet wird.
(--> Der Platz der Tänzerin – Nächtliches Gespräch)

Sundara stutzt, als sie Keresin auf die doch für sie anscheinend unerwartete Destination ihres kleinen Spaziergänges hinweist. Warum sollten sie den geschützten Garten gegen einen öffentlichen Platz eintauschen? Schließlich ist es doch praktisch unmöglich, dass jemand, der in den Büschen oder im Haus hockt, etwas leise gesprochenes von der Mitte des Gartens zu verstehen. Wie dem auch sei, die Antwort ist ungemein kurz: „Moment!“

Kaum hat sie ausgesprochen, stürmt sie auch schon wieder die Treppe hinauf, und noch während sie hinaufrennt, zieht sie sich das riesige Hemd über den Kopf. Einen Augenblick später ist der nackte, muskulöse Körper auch schon in dem Zimmer verschwunden.

(—> Platz der Tänzerin — Nächtliches Gespräch)

(<--Platz der Tänzerin - Nächtliches Gespräch)

Inara hasste diese Insel, hasste diese verbohrten, launischen Vorovisianer, sie hasste sogar sich selbst. Mit wütenden Tränen in den Augenwinkeln beschleunigten sich ihre Schritte immer mehr, je näher sie dem Haus kam. Ja, das verdammte Haus hasste sie auch. Es war so einladend und gemütlich. Es versprach einen sicheren Unterschlupf, ein warmes Bett und Geborgenheit. Und könnte ein Zuhause sein. Vielleicht ein verübergehendes. Aber es war wie der Topf Choney für einen Ursaba. Viel zu verlockend. Eine Zwyselfalle aus der es kein Entkommen gab. Statt die Tür zu öffnen schlug sie mit der Faust dagegen. Nicht fest genug, um sich zu verletzten und damit auch nicht fest genug, als dass es sie von ihrer Wut und Enttäuschung hätte ablenken können.

(<-- Platz der Tänzerin-Nächtliches Gespräch)

Die Sohlen seiner leichten Sandalen verursachen fast kein Geräusch, als er langsam auf das Haus zugeht, in dem sein Gepäck liegt. Als Inara gegen die Tür schlug, befand sich Keresin noch in der Mitte des Platzes und hat das leise Geräusch überhört. Er macht sich auch keine Gedanken wegen der Allianzlerin. In der Dunkelheit verschmelzen Schatten und Umrisse, sodaß Keresin die Gestalt im Finsteren an der Tür nicht ausmachen kann. Erst im letzten Augenblick vor einem Zusammenstoß bleibt er stehen. In einer instiktiven Bewegung greift er nach seine Asnivala. Er hat schon halb blankgezogen, als er Inara erkennt. Rückartig stößt er die Klinge zurück in die Scheide. „Verzeiht! Ich habe euch im Dunkel nicht gleich erkannt.“: sagt er und tritt einen kleinen Schritt zur Seite um ein wenig Distanz zu der Frau in Blau zu gewinnen. Da Inara immer noch vor der Türe steht, spricht er weiter. „Ihr seid gleich von meiner Gegenwart befreit. Ich möchte nur meine Sachen holen. Ihr gestattet?“ Er bewegt sich ein wenig auf die Türe zu und wartet dann darauf das Inara ihm Platz macht.

Die Zeit scheint den Atem anzuhalten als Inara eine ganze Weile regungslos vor der Türe verharrt, doch schließlich reicht es Keresin. Er schiebt sich an der Frau aus der Allianz vorbei, öffnet die Türe und verschwindet im Haus. Er muß nicht lange suchen und diesmal nimmt er auch den Rucksack mit, den er bei den Leichen der Marodeure gefunden hat. Als er seine kleine Laterne für den Weg entzünden will, zögert er und läßt es dann bleiben. Die Strapazen des Tages machen sich jetzt stark bemerkbar und er hat schlicht und einfach keine Lust mehr durch die stockfinsteren Gassen der Stadt zu streichen und sich ein Quartier zu suchen. Für einen Augenblick überlegt er, dann verwirft er den Gedanken im Haus zu bleiben. Der Garten ist groß genug um in der Dunkelheit nicht gefunden zu werden. Er läßt die Flamme der einsamen Kerze brennen und geht über die Veranda hinaus in den Garten. Er hält auf den Brunnen zu und als er das leise Plätschern des Wasserstrahls hört legt er sein Gepäck unter die Zweige eines ausladenden Strauches. Er streift sein Gewand ab und wäscht sich ausgiebig. Erst dann breitet er seine Decke neben dem Strauch aus und legt sich mit unter dem Kopf verschränkten Händen auf den Rücken. Eine Weile betrachtet er den Tanz einiger Nachtseidenvögel, dann verliert er sich in seinen Gedanken.