Forum Übersicht - Umland » Wenn der Baumarkt fehlt...

----> Bei Misaki

Nachdem Sundara das Hospital der Imkerin Misaki verlassen hat, ist freilich noch ein ganz schönes Stück Tag übrig. Und da sie ja mit Bokh erst für den Folgetag die erste "Expedition" in den Untergrund vereinbart hat, steht sie nun wohl erst mal herum und hängt ihren Gedanken nach. Sie hätte nun genug Geld, sich den Rest des Tages im Silberkrug zu vertreiben, doch ist sie im Moment weder in geeigneter Begleitung, noch in geeigneter Stimmung für ein größeres Fest. Ja, insbesondere die Begleitung fehlt ihr ja vollständig. Sie sieht sich erst einmal um. Dann geht sie zu einem ersten Strauch und beginnt, die Schösslinge desselben zu begutachten. Shassla hat ja gemeint, sie würde keine Pfeile herstellen. Nun ist die Produktion von Pfeilen ja für einen ordentlichen Bogenschützen kein Problem, etwas, das man bei einer ordentlichen Ausbildung lernt. Und diese Fähigkeit ist insbesondere dann nützlich, wenn man eben nicht in einer Stadt stationiert ist, sondern eben irgendwo zwischen Estichà und den vobrischen Landen. Nun wird ja bei zahlreichen Gesprächen immer wieder über Pfeilspitzen gesprochen. Und doch ist diese Spitze nur ein kleiner Teil des Pfeiles selbst, und auch keineswegs der nützlichste. Eine Spitze alleine fliegt nicht, und eine Pfeil, der nicht fliegt, ist genauso nützlich wie eine Asnivala ohne Klinge. Der Hauptteil eines Pfeiles ist der Schaft, und genau dieser Schaft ist es auch, der für die guten oder schlechten Eigenschaften des Pfeiles den Hauptteil beiträgt. Gerade muss er sein, nicht zu dick und nicht zu dünn, und freilich aus einem Holz, das nicht zu biegsam ist, aber auch nicht allzu steif. Freilich gibt es Mittel und Wege, ein krummes Stück Holz gerade zu machen, ein dickes dünn. Doch ist alles mit Arbeit verbunden, und so macht sich Sundara freilich daran, nach Holz Ausschau zu halten, das möglichst wenig der Bearbeitung bedarf. Es gibt schließlich weitaus kurzweiligere Tätigkeiten, als Pfeilschäfte herzustellen.

Sundara ist also überaus wählerisch. Und so geht sie gedankenverloren von einem Strauch zum anderen, schneidet mal da ein Stück ab, mal dort, begutachtet das abgetrennte Stück noch einmal genau. Selten landet der Zweig in ihrem Pfeilköcher, meist wird er dann doch ausgesondert. Was an der Pflanze gerade ausschaut, ist es bei näherer Prüfung zumeist nicht. Und so geht sie von einer Straße zur nächsten, bis sie schließlich die letzten Häuser hinter sich lässt. Sie kommt auf Weideland. Hier sind weit weniger Sträucher und Bäume zu finden, aber es ist nicht die Quantität, die den Erfolg alleine ausmacht. Und so erblickt sie auch bald einen schönen, passenden Strauch. Der Wuchs desselben zaubert ein erfreutes Lächeln auf ihre Lippen. Als ob er gerade für diesen Zweck gepflanzt geworden wäre, hat er sehr gerade Schösslinge, alle von ungefähr der richtigen Dicke, und so küsst die Klinge ihres Messers schnell die Rinde des Holzes. Was vorher nur langsam vonstatten gegangen ist, geht nun weit schneller, und zusehends füllt sich ihr Köcher mit Rohlingen, die, da ist sich Sundara sicher, doch äußerst passable Pfeile abgeben müssten.

Schön langsam füllt sich der Köcher. Dieser Avellanya-Strauch war eine wahre Goldgrube für jeden Bogenschützen! Und so dauert es nicht lange, bis Sundara die einzelnen Stöckchen richtig einfädeln muss. Schließlich steckt sie das Messer weg. Sie hat einstweilen genug, auch weil sie in dem Köcher ja gar nicht mehr Stöckchen unterbringt. Es mögen wohl 40 oder 50 sein, und sie hofft doch, dass wenigstens 30 eine zweite, eingehendere Kontrolle überstehen. Und viel mehr als 30 Pfeile haben in ihrem Köcher, mit Spitzen und Befiederung, eh nicht Platz. Freilich ist ihr klar, dass sie bald neue Stöckchen schneiden muss. Die Pfeile, die sie bald produziert, muss sie schnell benutzen. Sie werden mit der Zeit krumm. Für gute Pfeile muss das Holz einen Sturm überdauern, und dann erst verarbeitet werden. Aber wenn sich Sundara umschaut, gibt es hier, ziemlich verstreut, noch mehrere Avellanya-Sträucher. Sie wird bald zurückkommen. Aber für heute hat sie genug. Sundara dreht sich um. Schon will sie zu der Stadt zurückkehren, als ihre Augen an etwas hängen bleiben, eine Hand den Bogen hervorholt. Elegant wird er aufgespannt. Sie schaut dabei gar nicht hin. Gespannt beobachtet sie etwas, wohl in knapp 100 Schritten Entfernung. Sie will einen Pfeil hervorholen. Nun muss sie doch den Kopf kurz abwenden. Sie braucht schließlich einen Pfeil, keinen der Avellanya-Schosse, die sie gerade geschnitten hat. Sie hält die Nase in den Wind, duckt sich, nähert sich etwas. Dann legt sie den Pfeil auf, zielt kurz und entlässt den Pfeil auf seine Bahn.

Es ist keine große Prüfung für Sundara. Ein Schnabelvieh, das pickend über Ackerland spatziert, anscheinend einen etwaigen Feind gar nicht im Entferntesten fürchtend, ist eine sehr leichte Beute. Und so ist es kein Wunder, dass der Pfeil das Tier etwas unterhalb des Halses trifft und dasselbe sofort tötet. Trotzdem legt sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Heute ist ein guter Tag! Sie hat Avellanya in rauhen Mengen gefunden, und das Schnabelvieh kommt ihr gerade recht. Sicher kann sie das Fleisch bei Stanchek eintauschen. Und ebenso sicher machen sich die Federn des Vogels sehr gut an ihren Pfeilen. Sie nimmt die Sehne wieder vom Bogen, wickelt sie auf und verstaut den Bogen wieder in ihrem Köcher. Dann rennt sie zu ihrer Beute. Nein, sie fühlt sich nicht bedroht. Ist es Gewohnheit? Oder möchte sie einfach nicht riskieren, dass ihr am Ende das Vieh durch einen hungrigen Maikong strittig gemacht wird? Vielleicht weiß sie es selbst nicht. Bald ist sie an dem Schnabelvieh angelangt. Sehr schön! Der Pfeil ist durch den Körper durchgegangen, die Spitze schaut auf der Hinterseite heraus. Sie nimmt sie ab. Pfeilspitzen kann man wiederverwenden! Dann sieht sie den Pfeil nur so weit heraus, dass sie das Schnabelvieh bequem über der Schulter tragen kann, steht auf und wendet sich zum Gehen.

Sundara hält inne, dreht sich zu der Libelle um. Ihre Augen erfüllt ein freudiges Leuchten, der Mund verzieht sich zu einem faszinierten Lächeln. Sie scheint ein Auge für die Schönheiten der Natur zu haben. Eine Weile beobachtet sie die Libelle, schon will sie die Hand ausstrecken, um der Libelle einen Landeplatz zu bieten, in der Hoffnung, dass diese ihn auch annimmt. Da nimmt sie die Harcona wahr. Der Kopf fällt in den Nacken, sie beobachtet den kleinen Raubvogel, der nun jedoch auch schon seine Flugfläche verlässt und wie ein Geschoss auf die Libelle zuschießt. Sundara lässt der Natur ihren Lauf. Sie versucht nicht, die Libelle zu retten, wissend, dass der Tod der einen zum Überleben des anderen notwendig ist. Vielleicht gerade als Bogenschützin fasziniert sie immer wieder, wie zielgenau, mit welcher Geschwindigkeit ein Harcona auf ein bewegliches Ziel zufliegt. Es überrascht sie wenig, dass er der Libelle keine Chance lässt. Was dann passiert, lässt sie jedoch erschrocken zusammenzucken. Blitze und Funken sind nicht das, was Libellen normalerweise zu ihrer Verteidigung zur Verfügung haben. Und insbesondere vergehen Libellen nicht in einem Feuerball - wobei Feuerbälle in der Röhre soundso ein geradezu außerordentliches Ereignis sind. Sundara geht zu der Harcona. Sie ist tot. Sie riecht nach verbranntem Fleisch, nach verbrannten Federn. Sie schaut zur den Überresten der Libelle, die so gar nicht nach Tierleiche aussehen. Sundara ist kein ängstlicher Charakter, aber das, was sie eben gesehen hat, ist ihr trotzdem mehr als unheimlich. Sie macht einige Schritte rückwärts, dann macht sie, dass sie so schnell wie möglich vom Acker kommt, rennt auf die Stadt zu. Das Schnabeltier auf ihrem Pfeilschaft schaukelt hin und her, und erst, als sie durch die ersten Häuser rennt, bleibt sie stehen. Sie dreht sich noch einmal um. Der Acker ist friedlich wie zuvor. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn. Dann lenkt sie die Schritte auf das Zentrum der Stadt.