Forum Übersicht - RE: Freiheit für Chelia - 2

Chelias Gesicht verfinstert sich, als sie an jenen Nachmittag denkt. Was ob der für sie alles andere als annehmlichen Folgen irgendwie auch wenig verwunderlich ist.

"Er hat mir vorgeworfen, die Waffe nicht gesichert zu haben, als sich in sein Haus gestürmt bin," antwortet sie grummelnd. "Wobei ich zu diesem Zeitpunkt ja von Javero gar nichts wusste, sondern dachte, Ataeric wäre in Gefahr. Mal ehrlich, wenn Ihr Schmerzenschreie aus einem Haus hört, sichert Ihr dann Eure Waffen, bevor Ihr dieses Haus betretet? Und verletzt... ja, ich habe ihn verletzt, aber mit meinem Fuß. Hätte ich die Asnivala genommen, dann hätte ich diese noch, dafür hätte Ataeric keinen Kopf mehr. Aber ich sah keine Notwendigkeit, ihn ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Obwohl die Sache da ziemlich bedrohlicher aussah, als danach, als ich gerade gehen wollte, die Asnivala in ihrer Scheide steckte und er mir einfach so in die Schulter geschossen hat. Und dann ohne Probleme in Kauf genommen hat, dass ich da auf seinem Küchenboden verblute, weil ich eben selbst den blöden Gurt aufmachen sollte, der aber irgendwie geklemmt hat. Ich wollte Javero retten, ja, und ich wollte ihn trotzdem wo wenig als möglich verletzen. Umgekehrt sah das wohl ganz anders aus. Ich meine, wenn ich nur verletzen will, schieße ich doch nicht mit der Armbrust auf eine Schulter. Das ist doch komplett krank, ist das. Und so werdet Ihr wohl recht haben, wenn Ihr meint, Ihr versteht das besser als ich, denn ich kann so was einfach gar nicht verstehen. Man tötet doch nicht einfach so, so ganz ohne Notwendigkeit."

Ziemlich missmutig sieht sie nun auf die Wanna.

"Außerdem hat mir Javero verklickert, er würde sie gar nicht mehr haben," fügt sie hinzu. "Ich hoffe halt, er hat sie nur irgendwo versteckt und nicht gleich kaputtgemacht. Die war mein Verlobungsgeschenk. Die bedeutet mir etwas."

Unerschütterlich lässt Tessya Chelia vor sich hinschimpfen.
Sie tritt dicht an Chelia heran, ihre Finger langen nach den Bändseln der Hose, die ohnehin bedenklich auf den Hüften hängt.
Sacht, doch unnachgibig zieht sie daran, öffnet den Knoten und lässt den Stoff zu Boden gleiten, so dass Chelia nun so gut wie nackt vor ihr steht.
"Gehst du freiwillig in die Wanne oder muss ich dich reinsetzten?" fragt sie freundlich, doch ihre Mine ist recht neutral.
Ihr Blick ruht nach wie vor auf der Schwarzhaarigen, schaut sie zu ihr hinab und sucht ihren Blick.
"Wenn du erwartest, das ich für dich Partei ergrefe, Chelia oder Ataeric verteidige, liegst du falsch. Aber wenn er dich hätte töten wollen, dann wärst du jetzt tot, Chelia. So ein Bolzen in der Schulter ist schmerzhaft, blutig, aber in der Regel keine tödliche Gefahr. Unangemessen mag der Schuss mit der Ateva sein."
Sacht nimmt sie sie am Arm und schiebt sie in Richtung Wanne.
"Hat er spontan danach gegriffen, weil sie herumlag oder musste er nicht vielmehr an den Schrank gehen, um sie zu holen? Hattest du mehr als genug Zeit zu gehen und hast es nicht getan?
Erwarte nicht, das ich es werte. Und bneben all dem, was zwischen dir und Ataeric war... mein Mitgefühl ist bei Javero. Er musste das ganze mit ansehen, konnte nichts machen und hat dich doch im grunde gerettet, weil er dich zu Hel gebracht hat. Wusstest du, das er tagelang verschwunden war?"

Um genau zu sein, steht Chelia nun komplett nackt vor Tessya. Sie sieht sie an, dann steigt sie doch in die Wanne, ohne dass die Priesterin irgendwie nachhelfen muss. Die nachfolgenden Worte der Chirà stimmen Chelia dann doch ziemlich nachdenklich. Eine ganze Weile blickt sie mit reichlich traurigem Blick vor sich auf das Wasser, dann wendet sich ihr Kopf zu Tessya.

"Verschwunden?" fragt sie. "Einfach verschwunden? Warum denn das?"

Dann macht sie wieder eine Pause. Schließlich beginnt sie wieder, von dem Nachmittag bei Ataeric zu erzählen. Freilich ist der Tonfall ein ganz anderer geworden, ruhiger, mit eben recht traurigem Unterton.

"Wir standen da, und ich wollte einfach nur wissen, was da überhaupt los war," sagt sie. "Ich meine, das sah so dermaßen nach einem Kampf aus, ich wollte einfach nur wissen, dass ich gehen könnte, ohne dass Ataeric gleich wieder über Javero herfällt. Weder der eine, noch der andere haben viel gesagt. Javero meinte, er sei aus dem Bett gefallen, aber dazu war er einfach viel zu zerschlagen. Ich habe mich um Ataeric gar nicht mal so gekümmert, plötzlich stand er vor seinem Schrank mit der Ateva in der Hand. Ich meinte wohl, wir könnten das doch wie erwachsene Leute klären, und da sagte Javero, er würde es mir vor der Tür erklären. Er ist vorgegangen, und ich wollte ihm folgen, doch in dem Moment, in dem ich mich umdrehe, spüre ich den Bolzen in der Schulter. Und ja, ich weiß dass man einen Schuss in die Schulter gut überleben kann. Aber ich weiß auch, dass man an der Schulter nicht viel abfehlen darf, wenn man nicht töten will. Und ich weiß, dass dies immer ein Risiko ist, wenn man auf ein bewegliches Ziel schießt. Was wäre passiert, wenn ich eine ruckartige Bewegung gemacht hätte? Ich meine, ein paar Clat in die eine Richtung, und er trifft den Hals, ein paar Clat in die andere, und er zerschmettert mir das Gelenk, und ein paar Clat tiefer und er zerfetzt mir die Lunge..."

Von einem Regalbrett hat Tessya einen Schwamm geklaubt, sich hinter Chelia gesetzt und wäscht äusserst vorsichtig den Bereich um die Schulterwunde.
Sie seufzt leise.

"Chelia, das meine ich doch, du siehst etwa und wertest es sofort. Auch wenn Javero völlig zerschlagen aussah, wieso glaubst du ihm nicht, was er sagt? Es ist nicht an dir, zu urteilen, es ist nicht an dir, dich ein zu mischen. Ich kann dir nur den Rat geben, Hilfe an zu bieten und erst etwas zu tun, wenn du darum gebeten wirst."
Sie taucht den Schwamm in das warme Wasser und befeuchtet Chelias Haare.
Sie taucht die Hände ins Wasser, gibt etwas flüssiges Seifenzeug hinein und beginnt gekommt, die langen Locken ein zu schäumen und den Kopf zu massieren.

Chelia seufzt. Ziemlich still sitzt sie eine ganze Zeit in der Wanne, lässt Tessya ihre Schulter und ihre Haare waschen. Sie kaut auf ihrer Unterlippe, doch ist das für die Chirà vielleicht gar nicht ersichtlich, da sie sich ja hinter der Dunkelhaarigen befindet. Und doch ist wohl aus der gesamten Körperhaltung zu erkennen, dass Chelia nachdenkt.

"Aber Tessya," meint sie dann ruhig, "versucht doch, mich auch ein bisschen zu verstehen. Ich höre Schmerzensschreie, renne in das Haus, sehe Javero zerschlagen am Boden liegen, auf ihm Ataeric mit der Hand an seinem Hals. Ich dachte, er wäre gerade dabei, Javero zu erwürgen. Wie soll ich denn da Javero fragen, ob er Hilfe braucht? Am Ende hat er danach schon eine eingedrückte Kehle... Freilich weiß ich inzwischen, dass ich falsch gelegen bin, und ich würde mich wirklich nicht beklagen, hätte Ataeric mir eine gescheuert, mir meinetwegen auch die Nase gebrochen. Ich meine, ich habe mich ja auch nicht beklagt, wie Hel mich grün und blau geschlagen hat. Aber... man schießt doch nicht einfach so auf Leute, das macht man doch nicht."

"Ich hab nie behauptet, dich nicht zu verstehen. Wäre ich in die Situation geplatzt, wäre ich auch dazwischen gegangen." erklärt die Chira ruhig und beginnt, die Haare aus zu waschen.
"Aber ich verstehe auch Ataeric. Und die Meinung, was man macht und was nicht, das variiert wohl so sehr wie es Städte in Mradroshan gibt."
Frisch gewaschen und gespült macht sich die Chira dran, mit einem breitzinkigen kamm, die Locken zu entwirren.

Wieder schweigt Chelia eine Weile, überlegt wohl, was Tessya mit dem gemeint hat, was sie soeben sagte. Sie überlegt länger als vorhin. Dann antwortet sie: "Und wenn Javero nun vor Schreck davongerannt wäre? Wenn ich am Strand verblutet wäre? Wäre das dann auch eine Stadt in Mradoshan, halt eine, die nicht unbedingt schön ist? Ich meine, es muss doch Grenzen geben. Wir müssen hier doch auch irgendwenn Regeln aufstellen. Es kann doch nicht jeder gerade das tun, was ihm gerade in den Kopf schießt, und wenn es eben das Schießen mit Ateve auf andere Leute ist. Morgen sucht Timea vor seinem Haus Muscheln am Strand, und ihm passt das nicht und schießt sie auch über den Haufen, weil sie meinetwegen zu nahe am Haus gesucht hat. Das geht doch nicht!"

Ruhig und sanft bändigt die Chira das dunkle Haar und schweigt eine geraume Weile.
Nur das leise Geräusch des Kammes ist zu hören, gleichmässig und rhytmisch.
"Wenn du Regeln für das Zusammenleben möchtest, dann solltest du das auf der nächsten Versammlung ansprechen. Es müssen ja nicht viele sein, doch vielleicht ist es notwendig. Vermutlich sind die Regeln der Einzeln doch zu verschieden. Aberw as der kleinste Gemeinsame Nenner ist, weiss ich nicht."
Tessya legt den Kamm beiseite.
"Ich bin fertig, wenn du Hilfe braucht, ruf einfach, ich bin in der Küche. Dann mach ich dir den leichten Verband, damit du dich besser bewegen kannst."
Sie erhebt sich und verlässt das Bad.

Chelias Antwort ist zunächst ein sarkastisches Lächeln.

"Was wird wohl dabei herauskommen, wenn gerade ich Regeln aufstellen will?" fragt sie in ebendiesem Tonfall. Dann fügt sie im Plauderton hinzu: "Sorgt Euch nicht um mich. Mir geht es gut. Ihr könnt also den Verband auch gleich draufgeben, dann muss ich Euch nicht mehr länger aufhalten."

Sie dreht den Kopf zu Tessya, ein freundliches Lächeln legt sich auf ihre Lippen.

"Dankeschön, ich schätze es sehr, wie Ihr Euch um mich kümmert," meint sie. "Und sagt nicht, das würde jede Mehdori tun, denn Ihr wisst, dass das nicht wahr ist. Ich hoffe, ich kann Euch Eure Mühen irgendwann irgendwie zurückzahlen, wenn es mir im Moment auch nicht klar ist, wie ich das bewerkstelligen sollte. Ihr sollt nur wissen, wenn Ihr etwas braucht, ich bin stets für Euch da."