Forum Übersicht - Das Spiel - abgeschlossene Threads » Vella bekommt Besuch

Das Himmelsfeuer hat von seiner Intensität bereits einiges eingebüsst, aber noch nicht jenen blassen und schönen Schein eingenommen, mit den es die Insel zur Nacht in den Schlaf wiegt. Es ist früher Abend, wenige Tage nach der Ankunft der unterschiedlichen Sechs und vielleicht hat sich bei dem einen oder anderen bereits so etwas wie ein friedlicher Alltagstrott eingestellt. Ataeric trägt die große Segeltuchtasche bei sich, deren starke Ausbuchtungen eine gute Füllung verraten. Das restliche Erscheinungsbild ist wie in den vergangenen Tagen: Kleidung aus hellem Stoff, feste- aber keine massiven Schuhe und der sich davon deutlich absetzende dunkle Waffengurt, an dem sowohl Asnivala wie Pejura an je einer Seite befestigt sind.
Vielleicht hat sich der kräftige Mann erkundigt wo er die kleine Frau finden kann. Gut möglich dass er sie aber auch gezielt gesucht hat, durch die Straßen gewandert ist und hier und dort in die Fenster schaute, bis er sie gefunden hat. Nun jedenfalls betritt er ihr Grundstück und sofern sie sich nicht draußen im Garten oder der Veranda beschäftigt oder zu dieser Zeit noch gar nicht da ist – hört sie ein gut vernehmbares Kopfen an der Tür.

Vella ist im Garten. Zu ihren Füßen steht ein Korb mit Wäsche. Sie hängt gewaschene Kleidung zum trocknen auf. Klein wie sie ist, muß sie sich dazu auf die Zehenspitzen stellen. Sie hat einen langen Rock an, der ihr bis zu den Knöcheln geht. Eine leichte Bluse, die dazu paßt. Ihr langes schwarzes Haar ist zu einem dicken Zopf geflochten. Sie merkt den Fremden erst als er im Garten ist. Sie dreht sich zu ihm um. Ihre Augen sind groß und dunkel. Sie will etwas sagen, da merkt sie, daß sie eine Wäscheklammer im Mund hat. Schnell nimmt sie sie aus den Mund. Ein bisschen verlegen schaut sie den Fremden an. Erst jetzt kann man sehen, daß sie einen kleinen eleganten Dolch am Gürtel trägt.
„Sichara. Kann ich euch helfen?“: fragt sie freundlich.

Der Anblick der Wäsche erinnert Ataeric an seine eigene. Bisher hat er die Kleidung einfach in das kleine Häuschen geschmissen welches in seinem Garten steht und in dem unter anderem auch so etwas wie ein Waschbrett samt Wanne vorhanden ist. Nur ist es sehr viel einfacher, sich damit zu begnügen immer wieder frische Wäsche aus dem Schrank zu ziehen als diese mühsam zu waschen.
Er tritt näher zu Vella und sieht nachdenklich in ihren Wäschekorb, ehe er sich bückt und ihr ein Kleidungsstück daraus anreicht. „ Das sollte ich bei Gelegenheit auch mal tun“, bemerkt er dabei leise. Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Zügen, die so alltägliche Situation in der er die junge Frau vorgefunden hat genießend und sofern Vella das Spiel mitspielt, bekommt sie auch gleich das nächste Stück gereicht..

„ Danke, das ist nett von euch.“: sagt sie und nimmt ihm die Wäsche aus der Hand. Mit der Hilfe des Fremden ist sie schnell fertig. Sie legt die Wäscheklammern in den Korb und hebt ihn auf. „Danke, für die Hilfe. Ich heiße Vella. Ich hab zwar nur kalten Tee mit Früchten. Aber ich lade euch gern ein. Wenn ihr Zeit und Lust habt. Ich bin erst ein paar Tage hier. Seid ihr erst angekommen? Ich hab euch noch nie gesehen. Die Stadt ist nicht groß, aber man kann schon aneinander vorbeilaufen. Wollt ihr euch lieber in den Garten setzten oder auf die Veranda?“
Sie schaut ihn aus dunklen Augen fragend an.

Stück für Stück landet so auf der Leine. Die Stille, mit der der Stoff von einem Paar Hände in das andere gereicht wird, fügt sich gut in die Idylle ein. Das Zwitschern der Vögel, der Duft frisch gewaschener Wäsche – für Ataeric fühlt sich die Insel das erste Mal ein klein wenig „normal“ an. „ Hört sich gut an“, kann er an Tee mit Früchten nichts Nachteiliges finden, was nicht schwer ist: Er kann sich nicht daran erinnern wie Tee überhaupt schmeckt, servieren die meisten neuen Bewohner der kleinen Stadt gänzlich anderen „Stoff“.
„ Veranda... und ich bin Ataeric. Nein, nicht wirklich neu. Ich glaube es war nur wenig später nachdem auch die anderen... nunja, angekommen sind.“

Er folgt Vella zur Terasse, geht aber nicht so weit ihr den Kobr abnehmen zu wollen oder es anzubieten. „ Es war bereits Abend. Hel hat mich dann quasi am Strand vor der Einsamkeit gerettet. Ich hatte gar nicht daran gedacht ein Licht aus den Häusern mitzunehmen und wurde von der Nacht überrascht. Dann bin ich ein Haus weiter eingezogen und seitdem..“, er zuckt mit den Schultern:“ Versuche ich ein wenig Ordnung zu bekommen. Suche die Leute auf die hier gestrandet sind. Ihr seid jetzt die.. Letzte, alle anderen habe ich bereits kennnen gelernt. Was quasi schon meine ganze Lebensgeschichte ist. Zumindest die, an die ich mich erinnern kann“.

„Freut mich, Ataeric. Setzt euch schon. Ich bin gleich wieder da.“
Sie verschwindet im Haus und kommt nach kurzer Zeit zurück. Sie stellt ein Tablett auf den kleinen Tisch. Im Krug ist Tee mit kleinen Fruchtstückchen. Zwei Gläser und eine Schale mit Nüssen stehen auf dem Tablett. Dazwischen hat sie eine Blüte gelegt. Sie stellt ihm ein Glas hin. Dann nimmt sich selbst eins. Sie setzt sich ihm gegenüber.
„Bitte, bedient euch.“
Sie wartet höflich, bis er sich eingeschenkt hat. Erst dann füllt sie ihr Glas.
„Es ist schön dort unten am Strand. Ich hab das Haus hier jetzt halbwegs in Ordnung. Ihr könnt euch sonst an nichts erinnern? Das muß schlimm sein.“: sagt sie bedauernd. Hel erwähnt sie nicht.
„Es ist schon komisch. Jedem fehlt etwas von seiner Erinnerung. Nur mir nicht. Ich bin auf dem Schiff, auf dem ich war, ins Bett gegangen. Aber aufgewacht bin ich hier. Mir fehlen gleich zehn oder mehr Jahre.“
Sie nippt an ihrem Tee.

Er legt vorsichtig die Tasche neben den Stuhl, den er sich aussucht. Eine ganze Weile ruht sein Blick auf der Blüte, die Vella so stilsicher auf den Tisch platziert hat. „ Ihr fühlt euch hier ganz wohl.“ Nicht einmal als Frage gemeint sondern eine Feststellung aus dem was sie erzählt und dem was er hier sieht. „Nein. Ich erinnere mich nicht. Manchmal fällt mir auf, das mir etwas ein wenig bekannt sein könnte, aber sicher bin ich mir nie.Wenigstens bleibt mir erspart viel zu vermissen oder mit dem zu hadern was ich vielleicht erlebt oder getan habe,“gibt er ihr aber gerne eine Antwort auf ihre Frage.
„ Es gibt vermutlich schlimmeres als mein Los. Zehn Jahre klingen nicht danach, als wenn ihr noch alle Erinnerung habt. Laßt euch nicht beeinflussen, von dem was die anderen noch haben oder eben nicht mehr haben. Ich bin mit einer Rüstung angekommen, überzeugt davon dass es die meine ist. So fühlt sie sich an... nur um dann festzustellen, dass es nicht meine sein kann.. nicht die echte jedenfalls, vielleicht war sie ähnlich oder meine Erinnerung täuscht mich. Wie kann man dann beurteilen welche Dinge nun stimmen und welche nicht.“
Ataeric greift nach dem Krug und füllt gleich beide Gläser, dann wechselt er plötzlich das Thema:„ Ich habe gehört ihr seid Händlerin gewesen...und nun sehe ich da einen Dolch an eurer Seite. Vella.. könnt ihr damit umgehen? Damit meine ich nicht dass ihr wisst mit welcher Seite ihr zustoßen müsst. Könnt ihr euch passend dazu bewegen und einen wirklichen Gegener damit außer Gefecht setzen? Jemand der euch körperlich überlegen ist und mit seiner eigenen Waffe eine viel höhere Reichweite hat?“

Sie nickt zu seiner Feststellung. „Es ist schön hier. Ruhig und friedlich. Hoffentlich bleibt es so.“
Sie schaut ihn mitfühlend an.
„Ihr habt keine schlechten Erinnerungen. Das ist schon wahr. Aber nicht wissen wer man war, ich weiß nicht. Ich stell mir das schlimm vor. Ich hab alle Erinnerungen. Es ist nur so das ich vor zehn Jahren ins Bett gegangen bin. Dann bin ich hier aufgewacht. Ich hab zehn Jahre verschlafen. Wenn ihr so wollt. Ich weiß jetzt ungefähr was in der Zeit passiert ist. Aber nur aus Erzählungen. Mit eurer Rüstung? Wieso glaubt ihr das es nicht die eure ist?“
Sie bedankt sich, als er ihr das Glas auffüllt.
„Händlerin, nicht ganz. Ich war Beamtin im Wirtschaftprokurat. Ich war für den Holzeinkauf zuständig.“
Das Thema Waffe scheint ihr nicht sehr zu behagen. Dann sagt sie kurz angebunden.
„Ich bin keine Soldatin. Aber ich kann damit umgehen, wenn ich muß. Ich hab einen guten Lehrer gehabt und lange geübt. Warum fragt ihr?“

Das Unbehagen welches Vella mit seiner Frage nach ihrer Waffe fühlt, mag sich steigern als sie erst einmal keine Antwort erhält. Der bis jetzt angenehme Mann mustert die junge Frau kühl und selbst als er nach dem Glas greift und einen Schluck ihres Früchtetees probiert entlässt er sie nicht aus seinem Blick. Nein, freundlich wirkt er wirklich nicht mehr. War das Schweigen beim gemeinsamen Wäsche aufhängen noch ein angenehmes, so schwebt dieses zwischen ihnen, wie eine bedrohliche Vorahnung.
„ Das ist mehr als ich erwartet habe“, bricht er die unbehagliche Atmosphäre mit einem Lächeln auf und wirkt dabei seltsam zufrieden. „ Ich weiß nicht ob es stimmt, aber wenn ihr lügt dann war es überzeugend. Das ist immerhin schon etwas.“
Er ignoriert ihre Nachfrage nach seiner Rüstung und langt stattdessen nach der Tasche neben seinen Stuhl. Nachdem er sie in seinen Schoß abgelegt hat holt er mit einem Griff eine kleine, aber fein gearbeitete Ateva heraus. Behutsam legt er die Armbrust auf den Tisch. Es ist wirklich ein schönes Stück, das wird die Holzkennerin wie sie schnell erkennen. Kleine Verzierungen und Schnitzereien lassen ahnen, dass diese Waffe für einen Frau und nicht für einen Mann geschaffen wurde.
„ Ich muss gar nocht so genau wissen, ob ihr mit eurem Pejura umgehen könnt und ich will es auch gar nicht austesten. Vielleicht reicht euer Können. Vielleicht gefällt euch diese kleine Inselröhre aber auch so gut, dass ihr lieber ein kleines Nest baut, es hübsch auspolstert und einfach hofft, dass es so bleibt. Wenn nicht.. und wenn ihr eure Kenntnisse erweitern wollt - dann möchte ich euch anbieten, euch in den Gebrauch dieser Waffe zu schulen.“

Vellas Lächeln verschwindet. Ihr Tonfall wird kühl.
„Ich lüge nicht.“
Sie wirft nur einen Blick auf die Waffe vor ihr. Dann sagt sie sehr bestimmt:
„Mir gefällt es hier. Ich habe keine Heimat mehr in die ich zurückgehen kann. Selbst wenn das möglich wäre. Die Stadt hier ist der einzige Platz den ich habe. Ich bau mir lieber mein kleines Nest, als mit einer Ateva herum zuschießen.Ihr könnt sie wieder einpacken.“
Sie steht auf und streicht sich den Rock glatt.
„Danke für euer Angebot. Aber ich lehne ab und ich glaube es wird Zeit für euch zu gehen.“

„Dann haben wir uns wirklich nichts mehr zu sagen“, pflichtet ihr Ataeric bei. Verwundert wirkt er nicht, Vella gibt sich schließlich sehr viel Mühe ihren neu gefundenen Lebensraum mit Normalität und Wohlbehagen zu füllen. Ein Zauber den sogar er hier spüren kann. Der kräftige Mann packt die Ateva sorgfältig wieder ein, hängt sich den Riemen über die Schulter und ist bereits kurz danach wieder verschwunden..

Was bildet sich dieser grobe Klotz ein? Vella ist wütend. Sie lügt nicht! Diese Typen sind doch überall gleich. Sie räumt Gläser und Krug fort. Wäscht alles ab und räumt es ein. Als sie an der Schlafzimmertür vorbeigeht sieht sie die Blüte. Zuerst freut sie sich sehr. Lantis ist ihre Lieblingsblume. Aber dann wundert sie sich doch. Wer hat sie ihr hingelegt? Vor einer Jhane war sie hoch nicht da. Sie war die ganze Zeit im Haus und im Garten. Sie hat niemand gesehen.