Forum Übersicht - Unter der Stadt » Misaki und der Erste Hüter

„Jetzt setzt euch doch endlich! Ich bin es leid dauernd zu euch aufsehen zu müssen.“: sagt der Erste Hüter zu der älteren Frau, die vor dem Tisch steht, an dem der Mann mit dem faltigen Gesicht sitzt. „Habt ihr noch immer nicht begriffen, daß ich nicht euer Feind bin, Ishikawa Erji? Ich habe eure..“ erzögert einen Augenblick als suche er das passende Wort „Einladung veranlaßt, damit ihr dem Zugriff der Hohepriesterin entzogen seid. Sie will euren Kopf, nicht ich!“ :fügt er mit Schärfe in der Stimme hinzu. Mit einer einladenden Geste deutet er auf den Stuhl ihm gegenüber. „Also, bitte, setzt euch!“: fordert er sie jetzt merkbar höflicher als zuvor auf. Für einen Moment zögert die ältere Frau, die auch Eris genannt wird und oben in der Stadt als Misaki bekannt ist, dann deutet sie eine sehr knappe Verbeugung an und setzt sich.
„Also gut, Mikhail, was wollt ihr von mir? Ich kenne euch gut genug um zu wissen, daß ihr nichts aus bloßer Menschfreundlichkeit tut.“: sagt sie kalt.

„Ich bin für die Sicherheit des Metatorion und des ganzen Komplexes hier verantworlich. Ich kann mir den Luxus gefühlsbedingter Entscheidungen nicht leisten, aber ich bin der Ansicht, daß die Vorgangsweise der Hohepriesterin nicht nur falsch und dumm ist, sondern gefährlich. Ihr habt nichts anderes getan als eure Pflicht zu erfüllen. Euch deshalb bestrafen zu wollen hieße die Disziplin aller Hüter und des Kaderpersonals zu untergraben. Wer führt denn noch Befehle ohne Zögern aus wenn er befürchten muß dafür bestraft zu werden? Alle Verantwortlichkeit muß beim Befehlshaber bleiben! Wenn jeder Befehl hinterfragt wird, bricht hier alles zusammen.“: antwortet der Erste Hüter ruhig.
Für Dauer eines Herzschlages bleibt Misaki still, dann neigt sie ihren Kopf in Mikhails Richtung.
„Verzeiht, ich wollte nicht den Anschein erwecken, euer Pflichtbewußtsein in Zweifel zu ziehen. Im Gegenteil, ich bin ganz eurer Ansicht was eure Lagebeurteilung betrifft und das nicht meinetwegen.“: entgegnet Misaki höflich. „Aber auf Dauer könnt selbst ihr euch nicht den Wünschen der Hohepriesterin entziehen.“
Mikhail deutet nur seinerseits eine leichte Verbeugung an. „Danke. Das habe ich auch nicht angenommen, werte Eris und ihr habt natürlich recht auch ich kann mich den Anordnungen der Hohepriesterin nicht auf Dauer widersetzen. Aber...“ Der Erste Hüter zögert ein wenig, als wöge er ab was und wieviel er Misaki enthüllen will. „Wir erwarten in Kürze die Ankunft einer Botin unserer Herrin, die in der Angelegenheit, in die ihr verwickelt wart, Urteile fällen wird. Bis dahin seid ihr in meiner Obhut sicher. Alles Andere liegt in der Hand der Göttin.“
Ein wenig zeigt sich die Überraschung auf den so beherrschten Gesicht der älteren Frau. „Ich verstehe.“: sagt sie schließlich. „Ich danke euch, Erster Hüter.“: fügt sie dann noch hinzu.
Mikhail hebt seine Linke etwas in einer Geste der Ablehnung. „Dankt mir nicht, werte Eris. Ich tue nur was ich für notwendig erachte.“ Er sieht Misaki nun direkt in die Augen. „Aber da ist noch eine Angelegenheit in der ich auf eure Unterstützung hoffe.“ Er läßt Miskai keine Zeit für eine Erwiderung. „Es geht um den Wiedererweckten an dem ihr ein gewisses Interesse habt.“: sagt er fast beiläufig.
Misakis eiserne Selbstbeherrschung löst sich auf wie Salz in Wasser. Mit aufgerissen Augen starrt sie den Ersten Hüter an. „Hel!“: haucht sie. „Lebt er? Ist er gesund.“: stößt sie atemlos hervor.
„Ja, es geht ihm gut. Zumindest im Augenblick noch.“: antworet Mikhail.

Misakis Augen werden feucht. „Der Gottin sei dank! Was kann ich für ihn tun? Verfügt über mich!“: sagt sie hastig.
„Ich möchte euch nur ersuchen, mit ihm zu sprechen. Das genügt mit ziemlicher Sicherheit.“
Irgendwo zwischen Weinen und Lachen antwortet Misaki: „Mit ihm sprechen? Nichts was ich lieber täte, die Göttin ist meine Zeugin!“
„Gut.“: nickt der Erste Hüter. „Euer Wiedererweckter wurde mit einer Enjinia verhaftet, als sie über einer der stillgelegten Schnittstellen im Metatorion eine Wächterdrohne übernahmen mit deren Hilfe sie Kontakt zu einem der Reinkarnierten in der Stadt aufnahmen um die Machtverhältnisse im Metatorion doch noch umzustürzen. Eine Verzweiflungstat, geboren aus Zorn und gekränkter Eitelkeit eurer Herrin, stümperhaft geplant und ohne jede Hoffnung auf Erfolg, die schon im Ansatz vereitelt wurde. Die Hohepriesterin will auch seinen Kopf. Für den Moment ist er in Sicherheit, aber wenn es noch einmal auch nur den geringsten Vorfall gibt, kann ich ihn nicht mehr schützen. Sagt ihm das, auf euch wird er hören.“: erklärt Mikhail ruhig.
Heftig nickt Misaki und jetzt kann sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Was immer ihr wollt, Erster Hüter!“: stimmt sie hastig zu. Doch eine Frage brennt ihr unter den Nägeln. „Warum schützt ihr ihn, Mikhail? Er hätte euren Platz eingenommen, wenn es anders gekommen wäre. Warum?“: bricht es aus ihr heraus.
Mikahil gönnt sich ein knappes Lächeln. „Wir haben eine Menge Ressourcen, Zeit und Mühe auf ihn verwendet, werte Eris. Es wäre pure Verschwendung diese beträchtliche Investition, seine Talente und seine Treue zu unser aller Herrin einfach abzuschreiben. Außerdem..“ Mikhail erhebt sich und sein Lächeln wird eine Spur breiter. „Welcher Mann hätte euch und eurer Herrin schon widerstehen können?“